Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/180

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an ihnen, und der Graf hat mir aus Dankbarkeit dieses Haus geschenkt und eine bedeutende Rente ausgesetzt.“

Das nenne ich das Ziel des Lasters mathematisch berechnen und consequent verfolgen, dachte ich bei mir. Ich fand jedoch eine gewisse Geradheit und Ehrlichkeit in dem Verfahren dieser Frau, daß ich ihr meine Achtung jenen unzähligen Gleißnerinnen gegenüber nicht versagen konnte, welche sich hochfahrend mit den Lorbeeren der Ehrbarkeit schmücken, ohne je einen Kampf bestanden zu haben, oder deren Fehltritte durch List oder günstige Verhältnisse verdeckt blieben. Nachdem Madame D. mir alle Annehmlichkeiten ihres Hauses und Lebens so viel wie möglich begreiflich gemacht hatte, bot sie mir schließlich einen sehr hohen Gehalt für die Erziehung ihrer Pfleglinge. Ich bat sie, meine Unschlüssigkeit für den Augenblick zu entschuldigen, indem ich noch gar keinen Plan gemacht hätte, und war eben im Begriff, wegzugehen, als der Graf L. C. eintrat, dem sie mich vorstellte. Er begrüßte mich mit der Höflichkeit eines französischen Edelmannes und entfaltete so viel Geist und guten Ton, daß ich seinem Wunsche gemäß wieder Platz nahm, um mich mit ihm zu unterhalten. Auf seine Bitte, eine Probe meiner musikalischen Fähigkeiten abzulegen, spielte ich ihm einige neue Erzeugnisse vor, womit er sich vollkommen zufrieden erklärte, auch sich sofort geneigt zeigte, das mir offerirte Honorar zu erhöhen.

Als ich zu Hause angekommen war, ließ sich Herr B. anmelden und ich ließ ihn eintreten, denn nie bedurfte ich eines rathenden Freundes mehr als jetzt. B. sprach zunächst seine Theilnahme an meinem Schicksale aus und erzählte mir, durch welchen Zufall er hier angekommen und davon unterrichtet worden war. Er kannte v. T. sehr genau, behauptete jedoch, ihn seit seiner Ankunft in Lissabon noch nicht gesehen zu haben, wußte aber, daß seine Frau gestorben war.

„Das ganze Unglück liegt darin, daß Sie einige Tage zu früh nach Lissabon gekommen sind, sagte er; wären Sie nur acht Tage später angelangt, als Frau v. T. begraben war, oder gar nicht gekommen, so waren Sie zuletzt auf dem Wege, die glücklichste Frau der Welt zu werden.“

„Nein, rief ich, das Unglück liegt darin, daß er mich infam belog und seine Lüge mit einem Eide besiegelte. Auf diesen schurkischen Meineid setzte ich meinen Ruf, meine hart errungene Stellung in der Gesellschaft,