Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/181

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meine Jugend, mein ganzes Lebensglück, ja das Leben meines ehrwürdigen Vaters, der diesen Schlag nicht überstehen wird.“

„Das war ein großes Unrecht, aber er that es aus Liebe zu Ihnen und weil er wußte, daß er Sie eingebüßt hätte, wenn Sie die Wahrheit erfuhren.“

„Mehr kann der Jesuiten-General selber nicht thun, rief ich empört, als seine Wünsche durch Meineide und Doppelverrath an zwei weiblichen Wesen krönen. Und wenn ihn Liebe zum Verbrechen bewog, warum schrieb er mir nicht nach dem Tode seiner Gemalin?“

B. sah mich lange prüfend an und sagte endlich: „Weil Sie entweder einen sehr großen Fehler begangen haben, oder das Opfer englischer Speculation geworden sind.“

„Weil ich nach Lissabon gekommen bin?“

„Nein! Kennen Sie einen Engländer Namens E.?“

„So hieß einer der Passagiere, die mit mir hierher reisten.“

„Ganz recht! er rühmt sich aber einer weit näheren Bekanntschaft mit Ihnen und hat dadurch eine Wette gewonnen, daß er sich früh sechs Uhr im Negligee seinen Gegnern aus Ihren Fenstern zeigte; und dieser Streich ist unter den hiesigen Engländern so bekannt, daß er bestimmt auch Herrn v. T. zu Ohren gekommen ist, was sein Stillschweigen hinlänglich erklärt.“

Der Schreck über dieses Bubenstück lähmte eine Weile alle meine Lebensgeister; endlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, indem ich mich jener Erscheinung am Morgen nach meiner Ankunft erinnerte, wovon auch Mistreß St. Zeuge gewesen war. Ich erzählte Herrn B. den Vorfall und wies ihn deshalb an die Besitzer des Hotels, welche den Hergang der Sache wußten, aber er sagte, daß die Welt immer das Schlechte glaube.

„Aber Herr v. T. ist nicht in dieser Lage, rief ich außer mir, von mir das Schlechteste glauben zu müssen, zumal er auf dem Schauplatze jener Schlechtigkeit, die an mir begangen wurde, d. h. hier in diesem Hause alle Beweise meiner Unschuld finden konnte, wenn er noch irgend einen Zweifel an meiner Tugend hätte haben können.“

Ich fühlte einen solchen verzweiflungsvollen Schmerz, daß ich einen Rückfall in meine kaum überstandene Krankheit fürchtete. Ich fühlte alle Dämonen der Finsterniß gegen mich im Bunde und knickte gebrochen zusammen.