Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/184

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mich ein, ein Gleiches zu thun, um eine angenehme Excursion zu machen, und da ich ohnehin nicht wußte, wie ich die Zeit bis zu meiner Vorstellung bei Lady H. ausfüllen sollte, so ließ auch ich ein Thier mir bringen, um unter Vortritt eines Führers den Berg zu besteigen, auf welchem das königliche Schloß majestätisch thront. So schön es aber an sich selbst ist, verdankt es doch seine Berühmtheit hauptsächlich seiner unvergleichlichen Lage und unbeschreiblich schönen Aussicht auf das Meer und die Umgegend. Da die königliche Familie anwesend war, so blieb uns der Eintritt versagt, wir besuchten jedoch den Garten, welcher einen seltenen Reichthum kostbarer Blumen und Pflanzen, geschmackvolle Parthieen, Schattengänge und Grotten enthält. Der Duft dieser südlichen Vegetation, von der frischen See- und Bergluft gefächelt, ist ganz geeignet, das Herz wonnetrunken und den Aufenthalt paradiesisch zu machen. Das Klima ist hier weit kühler und gesunder als in Lissabon, und zwar nicht sowohl wegen des Unterschiedes der Breite, als wegen der hohen Lage. Als ich auf diesen Bergen umherritt, die balsamische Luft athmete, den tiefblauen Himmel über mir, das unermeßliche Meer in allmächtiger Erhabenheit und Schönheit zu meinen Füßen, fühlte ich mich von neuer Lebenskraft durchdrungen, so allgewaltig ist der Einfluß der Physis auf die Psyche. Die menschliche Kunst scheint mit dieser höchsten Schönheit der Natur einen Wettkampf eingegangen zu haben, denn überall trifft das Auge auf glänzende Villen mit Säulenhallen und bunten Gärten, dann wieder auf Orangenwälder und Weingelände, fernab die Wasserwelt in stiller Glorie, vom sausenden Kiel durchschnitten. Die Phantasie träumt hier nur von Liebe und Glück, die Seele plätschert wonnetrunken in einer Ueberfülle himmlischer Wollust.

Zur bestimmten Stunde begab ich mich zu Lady H. de W. und hatte die Befriedigung, auf das wohlwollendste und befriedigendste empfangen zu werden. Sie ging sogleich mit lebhaftem Interesse auf meine Verhältnisse ein, sagte mir, daß es in Portugal gänglich an tüchtigen Erzieherinnen und Lehrerinnen mangele, rieth mir, mich hier niederzulassen und versprach, mir durch ihre Protection hinreichende Verbindungen und einen lohnenden Wirkungskreis zu verschaffen. Eine feste Stellung anzunehmen widerrieth sie mir, weil Gleichheit des Glaubens dort die erste Bedingung ist, ich auch auf diesem Wege weniger Annehmlichkeiten und Einkünfte finden würde, als in der Stellung einer Lehrerin.

Nachdem Lady H. sich längere Zeit auf das herablassendste und