Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/188

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bequeme Häuser hat. Hier befindet sich die englische Kirche mit ihrem prachtvollen Begräbnißplatze, der englische Gesandtschaftspalast, hier wohnen meist Engländer, und es ist dieses Viertel wegen seiner hohen Lage und Reinlichkeit der gesundeste Theil der Stadt.

Der Handelsplatz, auf drei Seiten von Regierungs-Hotels mit schönen Arkaden verziert, liegt unmittelbar am Kai, ist 615 Schritte lang und 550 breit, somit der schönste Platz der Stadt. In seiner Mitte steht die kolossale Reiterstatue Josephs I. Weit größer, obwohl nicht so schön, ist der Platz Raio, nämlich 1800 Fuß lang und 1400 breit. Zwischen diesen beiden Plätzen laufen die drei schönsten Straßen Lissabons, Augusta, do Ouro und da Prata, parallel neben einander her, andere durchschneiden sie in rechten Winkeln. Das National-Theater, ehemals Palast der Inquisition, nimmt die Nordseite des Platzes ein.

Lissabon, Lisboa, unter den Römern bereits als Felicitas Julia bekannt, und schon unter den Mauren blühend, verdankt nach einigen Historikern seinen Ursprung den Phöniziern. Im Jahre 1433 wurde es von König Johann I. zur Residenz erhoben und erblühete nun zu einer der größten und wichtigsten Städte Europas, welche vor dem Erdbeben eine Bewohnerschaft von 300,000 Seelen hatte. Am westlichen Ende von Lissabon steht das Kloster Belem oder Bethlehem, von Emanuel dem Großen 1499 auf der Stelle gegründet, wo zwei Jahre vorher Vasco de Gama sich zu seiner Entdeckungsreise einschiffte, nachdem er die Nacht zuvor betend in der Kapelle Bethlehem am Strande zugebracht hatte. Es ist im halb maurisch-byzantinischen, halb normännisch-gothischen Style aus weißem Kalkstein erbaut, der mit der Zeit gelb wird. Der Kreuzgang im Innern ist prachtvoll, mit sehr zierlichen Bildhauerwerken bedeckt; alle künstlerischen Arbeiten sind hier mit einer bewundernswürdigen Feinheit und reicher Phantasie ausgeführt. Die Kirche entspricht jedoch dem Style des Klosters nicht, denn sie erhielt weit später ein im italienischen Geschmack erbautes Schiff, welches zu den übrigen Theilen unangenehm contrastirt. Hier stehen die vier Grabmäler Emanuels, seines Sohnes Johanns III. und der Gemahlinnen Beider. Die Särge von röthlichem Marmor ruhen auf schwarzen Elephanten aus demselben Material. Seltsamer Weise ist dieser christliche Tempel, und namentlich die Altäre desselben, mit Reliefs im maurischen Geschmacke verziert, welche theils Kinder auf Drachen reitend