Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/190

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Hauptstadt liegt Cintra; die Bergkette, welche hier von Nord-Ost nach Süd-West geht, ist Granitfelsen mit weißem Quarz und Feldspath. Ungefähr eine Legua vor Cintra sahen wir in der noch öden Gegend das Schloß Quelez, Dom Pedro’s Sterbeort. Bald darauf sahen wir Romalhao, von wo aus wir an den sanften Abhang einer lieblichen Ebene kamen, in welcher freundliche Landhäuser schimmerten, mit Myrthen, Orangen, Pinien und Granatbäumen umgeben, deren Grün alle Nüancen spielte. Die schönsten Früchte und Reben mit ellenlangen Trauben, Rosen-, Oleander- und Erdbeerbäume überraschten und entzückten uns überall. Dies war Cintra. Auf den zwei höchsten Spitzen des Bergkammes thront die Ruine eines maurischen Schlosses, und Penha, etwas tiefer das königliche Sommerschloß. Von hier aus sahen wir das berühmte Mafra liegen, welches die Portugiesen ihr Escurial zu nennen pflegen, obwohl die Lage sie beide wesentlich unterscheidet, denn während dieses auf den Gipfeln der Sierra Gnadarama hoch thronet, liegt jenes in einer kahlen unfruchtbaren Ebene. Der erste Anblick ist kalt und finster, eine ungeheure Mauer umgiebt den Park, und als wir um eine Ecke gebogen waren, befanden wir uns am Fuße des colossalen Gebäudes. Johann VI. gelobte während einer schweren Krankheit, an dem ärmsten Kloster seines Reiches eine Abtei zu bauen, und als er genas, fand man nach langem Suchen einige Meilen von der Hauptstadt eine ärmliche, von Kapuzinern bewohnte Hütte. Hier ward das Gelübde des Königs erfüllt und der Klosterpalast nach dem Vorbilde des spanischen Escurials erbaut. Das Gebäude mißt 1150 Fuß im Geviert, hat 2500 Fenster und Thüren, 860 Kammern, Zellen und Säle, zwei Hauptthürme von 350 Fuß Höhe, eine höhere Mittelkuppel, einen großen Hof, zwei mittlere und sechs kleine Höfe. Von der hohen, davor befindlichen Terrasse breitet sich die Aussicht über das Meer, die Berge, Cintra, den Tajo und Lissabon aus. Das herrliche Glockenspiel der beiden Thürme besteht aus 160 Glocken, die allein eine Million Crusados oder 800,000 Thaler kosteten. Auf dem Rückwege besuchten wir in der Umgebung von Cintra noch das berühmte Korkkloster, welches Joao de Castro, Vicekönig von Indien, zu Anfang des 16. Jahrhunderts baute. Es ist ganz zwischen die höchsten Felsen des Gebirges gehauen, und das ausgehöhlte Gestein dient der Kirche, der Sakristei und dem Kapitelhause zum Gewölbe. Die unterirdischen Gemächer empfangen ihr Licht durch schräg in die Felsen gehauene Oeffnungen;