Heinrich Ferdinand Steinmann: Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland | |
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von der schönen Dolores in Sevilla machte große Freude und erhöhete das Interesse dieser gutmüthigen Menschen für mich noch um ein bedeutendes. Sie begleiteten uns bis an den Hafen und winkten uns noch lange mit ihren weißen Tüchern zu, als wir schon lustig hinaus dampften. Ich konnte mich der Thränen nicht enthalten, als ich dieses Land verließ, an dessen Volke ich so unzählige schöne und edle Züge gesehen hatte, ohne je eine Spur von Niederträchtigkeiten zu entdecken, und indem ich mir die schönen Eindrücke zurückrufe, welche es zu jeder Zeit auf mich gemacht hat, kann ich nicht umhin, dem spanischen National-Charakter vor jedem andern den Vorzug zu geben. Gewiß tragen zu der Uneigennützigkeit und Großmuth desselben das glückliche Klima und der verschwenderische Boden seines Landes das meiste bei; vielleicht hat sogar die Großartigkeit und der Zauber der Natur durch die Schönheit und Erhabenheit ihrer Eindrücke einen noch mächtigeren Antheil daran, vielleicht wäre der Spanier unter ungünstigeren Verhältnissen auch ein anderer. Und doch, wenn ich an die Griechen und Italiener denke, deren Vaterland auch zu den bevorzugtesten Ländern des Welttheils gehört, und deren Geschichte auch mit der spanischen so viele Berührungspunkte hat, so muß man doch sagen, daß der Volkscharakter im Blute und in der Raçe liegt.
Am 25. Oktober kamen wir wieder in Lissabon an. Die Insurgenten hatten sich in Oporto befestigt, von wo aus eine Junta mit der Königin unterhandelte. Die Hauptstadt selbst jedoch war ruhig, der
Hof, die Gesandtschaften und der Adel dahin zurückgekehrt. Ich machte
zuerst der Lady H. de W. meine Aufwartung. Diese edle Dame hatte
nicht aufgehört, für mich zu sorgen und ihren Einfluß für mich zu verwenden, ging auch jetzt mit der herzlichsten Theilnahme auf meine Verhältnisse ein. Sie versicherte mich, daß ich in Kurzem eine sehr einträgliche und angenehme Stellung einnehmen werde, rieth mir, ein Quartier
Heinrich Ferdinand Steinmann: Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland. Otto Janke, Berlin 1861, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Denkw%C3%BCrdigkeiten_einer_deutschen_Erzieherin_in_Belgien,_England,_Spanien,_Portugal,_Polen_und_Deutschland.pdf/239&oldid=- (Version vom 18.12.2022)