Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/283

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Achtundzwanzigstes Kapitel.




Dies waren eigentlich gutmüthige, wenn auch nicht gebildete Menschen, und ich würde mich, trotzdem daß die Erziehung sehr schlecht war, bei ihnen eingerichtet haben, wenn nicht einerseits neue Verfolgungen gegen mich ausgebrochen wären, andererseits Herr B. mich nicht auch mit Liebeleien verfolgt hätte; denn man behandelte mich anfänglich mit vieler Anerkennung und Freundlichkeit, so daß ich hier viele gesellige Freuden genoß. Frau B. hatte einen hübschen Mezzo-Sopran und ziemlich gute Schule, meine älteste Zöglingin, Jane, ein hübsches Mädchen von sechszehn Jahren, einen vollen Contra-Alto, und da die Familie die Musik leidenschaftlich liebte, so verging kein Tag, wo wir nicht Dilettanten-Concerte aufführten. Natürlich spielten diese bei den häufigen Zusammenkünften, die hier stattfanden, eine große Rolle. Die Nachbarn von St…-Hall waren überhaupt sämmtlich liebenswürdige und gebildete Menschen, die mir viele Artigkeiten gewährten und ihre Einladungen in der Regel auch auf mich erstreckten. Eines Tages ward ich mit der Familie zu einem sogenannten Dejeuner bei der Familie des Herrn F., eines reichen Juristen in Douglas, eingeladen. Wir fuhren an einem reizenden Vormittage des Septembers durch eine meist malerische Gegend und erreichten gegen ein Uhr die hübsche Stadt Douglas. Frau F. und ihre reizende Tochter empfingen uns mit vieler Grazie, worauf sich bald eine zahlreiche und glänzende Gesellschaft von Herren und Damen einstellte. Um ein Uhr begab sich dieselbe in den ziemlich großen, festlich geschmückten Saal, wo eine reich mit Silber und Blumen decorirte Tafel stand. Die Gäste wurden in bunter Reihe rings um dieselbe geordnet, wobei mir das Schicksal zwei sehr unterhaltende Herren zu Nachbarn gab. Das Dejeuner glich übrigens ganz einem Diner und ward nur darum „Frühstück“ genannt, weil in England ein eigentliches Diner Abends gegeben werden muß. Nach Tische führten uns unsere freundlichen Gastgeber nach dem Schlosse von Douglas, dem Familiensitze des reichen Barons W., Lord und Besitzer der an Bergwerken gesegneten Gegend. Das Schloß liegt auf flachem Terrain und ist mit einem prachtvollen Park umgeben, es besteht aus vier Flügeln, an deren Ecken sich runde Thürme mit Fenstern im verschobenen