Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/35

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Lohnwagen und fuhr nach Hause, wo ich lange vor der Rückkehr der Familie ankam; ich hatte daher Zeit, das ungünstige Zusammenwirken verhängnißvoller Umstände und die Trostlosigkeit meiner Lage zu überdenken und zu beweinen, denn ich hatte schon in den wenigen Tagen, die ich bei H’s. war, die kränkendste Behandlung und die unerträglichsten Entbehrungen erduldet.

Als Frau H. nach Hause kam, hatten ihr die Dienstleute sogleich erzählt, daß ich ausgewesen war, worüber sie in entsetzliche Wuth gerieth und mich auf das gemeinste schmähete und schimpfte. Ich beklagte mich mit Thränen gegen ihre Tochter über dieses Verfahren, allein sie gab mir keine Antwort, sondern seufzte nur bedeutungsvoll.

Ungefähr acht Tage nach unserer Ankunft in London ging die Familie auf einen ihrer Landsitze, B… W… in Herfordshire. Hier machte ich die Bekanntschaft meiner Zöglinge, von denen der älteste ein Knabe, Namens Stuart, eben so roh und unbändig, wie seine Schwester Oriana lenksam und liebenswürdig war. Ihre westindische Bonne Mary B… , eine Mulattin, erzählte mir, daß ihre Gebieterin, die Frau Doctor M… in Trinidad, sie durch vieles Bitten bewogen habe, die Kinder zur Großmutter nach England zu bringen, daß man ihr Rückkehr mit dem nächsten Schiffe und den fortlaufenden Gehalt, den sie bei Doctor M… bezogen, zugesagt habe. Nichtsdestoweniger hatte sie Mistreß H. unter allerlei Vorwänden zurückgehalten, ohne ihr auch nur einen Penny in dieser langen Zeit zu geben; im Gegentheil hatte sie fast ihre ganze mitgebrachte Baarschaft für die allernöthigsten Lebensbedürfnisse ausgegeben. Sie versicherte, daß das hiesige Klima sie den Winter nicht überleben lasse und somit der eigentliche Zweck der Frau H. erreicht sei. – Wirklich war Mary ein Bild der Verzehrung, und ihr Anblick, wie das schmerzliche Schluchzen, unter welchem sie mir ihr Schicksal in Creol-Französisch erzählte, erfüllte mich mit dem tiefsten Mitleiden. Wir gelobten einander treue Freundschaft in unsern gemeinschaftlichen Leiden, und fanden einen Trost darin, einen Gefährten zu haben – solatium est miseris socios habuise malorum!

Frau H's. Wunsche gemäß mußte ich die Kinder während einiger Stunden des Tages unterrichten, aber ihre Unarten durfte ich ihnen nicht untersagen, ohne daß jene würdige Großmutter mich darüber ganz wüthend zur Rede stellte; die Kinder mußten nach ihr gerathen. Sie scheute sich nicht, Zofendienste von mir zu verlangen und überhäufte mich