Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/365

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i. J. 1516 gegründet, und zweimal erneuert. Ihr Aeußeres war ganz schmucklos und entbehrte gänzlich den Charakter der edeln Baustyle, das Innere bildete gleichsam zwei Theile, wovon der östliche den Altar, die Sakristei, mehrere Kapellen, Monumente und Votiv-Tafeln enthielt. Die Decke dieses Theils ist gewölbt und besteht aus Stuck-Reliefs, welche sehr bunt bemalte Arabesken bilden. Auf dem Altare standen Figuren, welche wahre Mißgeburten der Sculptur und Polychromie zu nennen waren, das Chor, dem Altare gegenüber, entsprach der Plumpheit des ganzen Gebäudes. Der westliche Theil der Kirche zerfiel durch zwei Säulen-Reihen, auf denen die horizontale Decke ruht, in drei Schiffe, von denen das mittelste das größte ist. Diese Säulen sind ganz glatt, mit grünen Weinranken bemalt und passen daher eher in einen Tempel des Bachus als in eine Kirche. Die Kanzel, welche an einer der Säulen angebracht ist, erscheint wie der gegenüber stehende Taufstein mit einer Menge grimassirter Farben, Roccoco-Köpfen, Goldklexen und sinnlosen Schnörkeln bedeckt, die Figuren lächerliche Monstra. Nach dem Concerte gesellte sich ein Herr v. Th. zu uns, Schmeichler in rohester Form, der, um eine Portion Essen von Frau v. K. zu erlangen, den Spucknapf geküßt hätte. Um ihr seinen pflichtschuldigen Haß gegen mich kund zu geben, spielte diese Blume des Adels den vollkommensten Lümmel gegen mich, weshalb ihm sämmtliche Damen, mein kleiner Engel ausgenommen, süßen Beifall zulächelten. Dieser Ritter von der traurigen Gestalt begann seine Großthaten damit, daß er vor mir ausspie! Dieser verkörperte Begriff des Knotenthums belustigte mich ungemein, denn jedes Wort aus seinem Munde bewies, daß sein Studium noch nicht den Bereich seines Düngerhaufens überschritten hatte. Schon die äußere Erscheinung des Herrn v. Th. war ein Heldengedicht auf den deutschen Adel: unter seinem breiten Kinn präsentirte sich über einer gelben Weste die Riesenschleife einer bunten Kravatte, an seinen Fäusten strahlten strohgelbe Handschuhe, und aus seiner Rocktasche baumelte eine halbe Elle lang ein geflammter Foulard, mittelst dessen Herr v. Th. den Leuten begreiflich machte, daß er wohl einen Thaler an sich wenden könne. Seine geniale Unterhaltung begann der außerordentliche Mann damit, daß er sich als Kenner der Geschichte und Architektur ankündigte, indem er pathetisch rief: Ist dies nicht eine prachtvolle gothische Kirche, meine gnädige Frau?