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Viertes Kapitel.




Ich war noch an demselben Tage mit den Kindern und Mary bei unserem Thee, als der Bediente mich zu Mistreß H. in den Salon rief, wo die ganze Familie versammelt war. Bei meinem Eintritt empfing mich die Megäre mit einem Sturm von Schimpf- und Spottreden, daß mir vor Schrecken schwindlig wurde.

„Wie haben Sie sich, schrie sie, unterstehen können, mich bei der Königin herabzusetzen? Sie nichtswürdige Deutsche! Jetzt eben ist Doctor K., der Kapellan Ihrer Majestät, hier gewesen, um sich nach Ihnen zu erkundigen, weil Sie einen Bettelbrief an sie geschrieben und mich verleumdet haben.“

„Madame, erwiederte ich mit vieler Fassung, ich habe keinen Bettelbrief an die Königin geschrieben, sondern habe sie blos gebeten, mich aus dieser Lage zu befreien, ohne Ihrer Majestät Vorschriften zu machen. Die Königin braucht Dienerinnen, und ich besitze Fähigkeiten. Ich habe meine Lage der Wahrheit gemäß geschildert, daß ich meine Gesundheit durch Sie verloren, daß Sie mir meinen Gehalt durch Arzt- und Apotheker-Rechnungen verkümmern, daß ich aber fest entschlossen bin, dem langsamen Tode, dem Sie mich und Mary preisgeben, zu entrinnen. Nicht ich habe Sie, sondern Sie haben sich selbst durch Ihre Gottlosigkeit herabgewürdigt. Wenn ich Sie verleumdet hatte, warum haben Sie mich nicht mit dem Kapellan der Königin confrontirt?“

Die ganze Familie schrie hier auf mich ein und Alle außer Fräul. H. überhäuften mich mit den pöbelhaftesten Reden. In keiner Familie außer in englischen habe ich bei äußerlicher Vornehmheit diese maßlose Gemeinheit nach innen gefunden.

„O, es ist nur ein Glück, sagte Mistreß H. mit hämischem Lachen, daß Se. Ehrwürden gleich an die rechte Quelle gegangen sind. Sie haben ein Zeugniß bekommen, daß seine Wirkung gewiß nicht verfehlen wird.“

Ueber diese Verhöhnung aller Wahrheit brachen Alle in ein schallendes Gelächter aus, obwohl sie wußten, daß wir zwei unglücklichen Mädchen unsere Schuldigkeit mit äußerster Anstrengung gethan hatten.

„Diese nichtswürdigen Deutschen, fuhr die H. fort, sind nicht werth,