Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/63

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fühlte, sobald ich den Boden betreten hatte. Die Scenerie ist höchst mannichfach und würdig, die Muse Walter Scott’s begeistert zu haben, der sie in seiner historischen Novelle „Perevill von dem Pic“ beschreibt. Ich las die Dichtung an Ort und Stelle, was mich befähigte, die Verdienste des Schriftstellers wie das Theater der Begebenheit ganz zu verstehen. Wir fanden einen sehr gebildeten und angenehmen Umgang in der Familie unseres Wirthes und einiger seiner Freunde, hatten somit den Vortheil, Geselligkeit mit ländlicher Freiheit zu verbinden. Einige Stunden des Tages wurden den Studien gewidmet, die übrige Zeit auf Baden und Spaziergänge oder Fahrten verwandt. Zu unseren Lieblingsvergnügungen gehörten die sogenannten Picknick-Parthieen, wozu sich die romantischen Gegenden mit ihren Ruinen, Waldschatten, Wasserfällen und Felsen trefflich eigneten. Hierbei wurde getafelt, gesungen, getanzt, gespielt, und alles Schöne ohne Ziererei, Rangsucht und Splitterrichten gegeben und empfangen. Eines Tages kamen wir an einen ziemlich breiten und tiefen Bach, welcher sich in einiger Entfernung schäumend über einen Felsen stürzte. Da es keine Brücke gab, so fingen die Herren der Gesellschaft an, Baumstämme herbeizuschleppen, weil die jenseitige Gegend denn doch besehen werden mußte, um eine Brücke zu improvisiren. Ein ziemlich beleibter ältlicher Junggesell wollte seine Gewandtheit zeigen, nahm, uns zur Nachahmung auffordernd, einen tüchtigen Anlauf und – plump, lag er im Wasser und plantschte unter allgemeinem Gelächter ängstlich umher, bis er sich mühsam herausgehaspelt hatte.

Wir blieben bis Ende des Monats August auf Man, während welcher Zeit wir so gesund und blühend geworden waren, daß unsere Freunde uns kaum wiedererkannten. Der Abschied von diesem reizenden Eilande ward mir unendlich schwer und die Erinnerung an den dortigen Aufenthalt gehört zu den glücklichsten meines Lebens. Um so trübseliger war die Wahrnehmung, daß unser Uebelsein bald nach unserer Rückkehr sich wieder einstellte, bei mir mit solcher Heftigkeit, daß ich meine schweren Pflichten nicht mehr erfüllen konnte. Ich traf daher mit Mistreß E. die Uebereinkunft, meinen Aufenthalt von Easton-Hous nach Stamford zu verlegen und nur einen Theil des Tages in Easton zuzubringen. Es kamen jetzt von allen Seiten Nachfragen um Unterricht, und bald hatte sich ein weiter Kreis von Schülerinnen um mich gebildet, daß seine Ausbildung meine Kräfte bei weitem überstieg, so reich sich