Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/78

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erschöpft – da hatte sich endlich der Hauswirth nebst den übrigen Gläubigern an die Obrigkeit gewendet, welche die Verschwundene öffentlich aufrief, ihre Schulden zu bezahlen und sich ihres Kindes anzunehmen. Jetzt stellte sich heraus, daß die Lady ganz gemüthlich am Hofe von Florenz die große Dame spielte und von der Bekanntmachung, nicht die geringste Notiz nahm. Der englische Consul, Herr C., hatte endlich den Vater des verlassenen Knaben, den ehrenwerthen Lord N., in England ausgemittelt, ihn von der hilflosen Lage seines Kindes unterrichtet, und es hatte dann der Herr Vater das Kind nach England bringen lassen. In Florenz hatte die Lady einige Zeit eine bedeutende Rolle am Hofe gespielt, wobei ihr der Name einer Gräfin M., welchen sie dem Verdienste des Ahnherrn ihres gekränkten Gatten verdankte, wesentlich genützt hatte. Aber während sie mit ihrem Cicisbe herrlich und in Freuden lebte, waren die Kinder leider von vielen dort lebenden Britten mit zerrissenen Strümpfen und niedergetretenen Schuhen gesehen worden. Hier war sie endlich erkrankt und in einen Zustand verfallen, der Alles von ihr verscheucht hatte, nur die verachtete Lavinia hatte ihr Hilfe leistend und tröstend zur Seite gestanden und ihr endlich die Augen geschlossen. Einer religiösen Engländerin, die mit ihr in demselben Hause gewohnt, sie auch oft besucht, hatte sie noch auf dem Sterbebette vertraut, daß sie ihr Schicksal verdient habe, dabei auch meiner mit tiefer Reue gedacht. Auf den Rath dieser Dame, ihr Unrecht nach Kräften an mir gut zu machen, hatte sie ein ehrenvolles Zeugniß für mich nebst einer Schuldverschreibung ausgestellt, welches diese mir später einhändigte. Nach dem Tode Lady Georgiana’s hatte sich die Großherzogin von Toskana der zweiten Tochter angenommen, Lavinia und Charlotte waren zu ihren väterlichen Tanten nach England gekommen und die Knaben hatte der Vater versorgt. Später erfuhr ich zu meinem Schmerze, daß diese Kinder alle Diejenigen, die da Augenzeugen von den traurigen Geheimnissen ihres Familienlebens gewesen waren, zu brandmarken suchten; ein klarer Beweis, daß sie die schmachvolle Politik ihrer Mutter angenommen hatten.

Ich bemühete mich sogleich, eine Anstellung zu finden, aber man versicherte mich überall, daß jetzt der ungünstigste Monat sei, weil die London-Season zu Ende und alle vornehme Welt schon zerstreut wäre. Mein Vertrauen auf Gott war aber so stark, daß ich mich nicht einen Augenblick entmuthigt fühlte, auch meldete mir eine meiner Beauftragten