Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/87

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Diese Begebenheit wurde von allen Unpartheiischen als ein frohes Ereigniß gefeiert.

Im Palaste des Herzogs von Aremberg sahen wir eine besonders werthvolle Gemäldesammlung, welche Arbeiten von Albrecht Dürer, Hans Holbein, Vandyk, Rubens, Tizian, Wouvermann und anderen enthält.

Auf dem Markte sahen wir den verhängnißvollen Platz, wo die Grafen Egmont und Hoorn hingerichtet wurden, und alle Greuel der spanischen Blutwirthschaft, insonderheit des scheußlichen Tyrannen Alba, zogen an unserer erschreckten Phantasie vorüber. Der Marktplatz gewährt durch die vielen ihn umgebenden Paläste im gothischen Styl einen höchst imposanten Anblick, und der Liebhaber alterthümlicher Kunst findet hier ein reiches Feld zu Forschungen. Sonderbarer Weise zeigte meine Gebieterin wenig Geschmack an Brüssels Schönheiten, und da ich auch hier keine Spur von Karl T. entdecken konnte, so schmerzte mich die Eile, mit der wir es verließen, gerade nicht zu sehr. In Miß M. fand ich übrigens eine sehr gebildete Dame mit vortrefflichen Eigenschaften, jedoch schien sie mehr in Theorieen zu leben, während das wahre Dasein und das menschliche Herz ihr offenbar unbekannt geblieben waren. Sie hatte blos zwei Klassen von Menschen kennen gelernt, die fashionable gekünstelte haut volée und die der Verbrecher, welche ihr durch ihren Vater, einen Magistratsbeamten, bekannt geworden war.

Ihre Begriffe waren in sofern ziemlich beschränkt, indem reich, vornehm und achtbar, andererseits arm, gemein und verächtlich gleichbedeutend bei ihr waren. Das ist der alte aristokratische Zopf, den die Neuzeit so halbweg abgeschnitten hat und allmälig ganz beseitigen wird. – Am liebenswürdigsten war meine Dame, wenn sie über Literatur sprach; dann entfaltete sie einen großen Reichthum an Belesenheit und richtigem Geschmack, und an der Begeisterung, womit sie die schönsten Stellen der vorzüglichsten Dichter anführte, hätte ich errathen, daß sie selbst Dichterin sei, wenn ich es auch nicht von Miß Ch. erfahren gehabt hätte. Uebrigens war diese Dame sehr großmüthig und beschenkte Alle, welche ihr einen Dienst geleistet hatten, auf eine fürstliche Weise. Ich fürchtete bisweilen, dies geschehe aus Unkenntniß der Münze und sie könnte in Verlegenheit gerathen; allein sie versicherte, daß es ihr unmöglich sei, ihre Zinsen zu verzehren und daß sie einst nur lachende Erben durch ihr Vermögen bereichern werde.