Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/88

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Von Brüssel, wo die Miß einen schönen Reisewagen gekauft hatte, reisten wir sehr bequem mit Postpferden weiter und besuchten zunächst das Schlachtfeld von Waterloo, auf dem uns ein alter Soldat, der in jener Schlacht mitgefochten hatte, herumführte und uns ein so lebendiges Bild davon entwarf, daß mir war, als sähe ich die Ereignisse jenes unvergeßlichen Tages vor Augen. In der Scheune, „la belle Alliance“ genannt, sahen wir viele berühmte Namen eingeschrieben und in einer Kapelle die Namen der gefallenen Sieger, in Marmortafeln gegraben. Das Hauptmonument ist ein kolossaler Löwe in Bronze auf einem verhältnißmäßigen Piedestal, gewiß die erhabenste Trophäe, welche je auf einem Schlachtfelde aufgepflanzt worden ist. Eine Art Obelisk bezeichnet den Platz, wo der Marquis von Anglesea ein Bein verlor, das darunter begraben liegt. Wenn man diese weite Ebene überblickt, die mit dem edelsten Blute getränkt ist, dann fühlt man sich von einem seltsamen Schauer überrieselt; es ist als müsse man niederknieen und den heiligen Boden küssen, auf welchem Europa’s Befreiung errungen wurde. – Auch Napoleon hätte hier sterben sollen, dann hätten selbst seine Feinde in seine Apotheose eingestimmt.

Unser nächster Anhaltepunkt war Namur, wo wir im Hotel d’Harskamp übernachteten, von dessen Fenstern aus wir die herrliche Festung betrachten konnten. Sie hat ihren früheren Ruhm der Unbesiegbarkeit durch die Waffen Ludwigs XIV. verloren. Die Stadt mit ihren vielen schönen Häusern und Gärten ist reizend an der Maas gelegen. Wir sahen eine Prozession zu Ehren der heiligen Jungfrau, welche zu dem frechen und wilden Treiben in den Straßen und Läden einen sonderbaren Widerspruch bildete.

Am folgenden Morgen reisten wir die Maas entlang weiter und waren entzückt über die liebliche Romantik dieser Gegend. Der Fluß ist zwar weder sehr breit noch tief genug zur Schifffahrt, aber das Thal, durch das er fließt, ist hinreichend breit, um weder den Blick noch die Phantasie zu hemmen, und erhält durch seine vielen Krümmungen, malerische Fernsichten und Abwechselungen den Geist in einer frischen Lebendigkeit. Die waldigen Berge auf beiden Seiten bilden einen nicht weniger schönen Rahmen zu diesem lieblichen Gemälde und erfreuen das Auge durch anmuthige Villen, welche nach Art der mittelalterlichen Ritterburgen die am Fuße liegenden Dörfer beherrschen. Das Ganze war von der freundlichsten Sonne beleuchtet, welche unstreitig den Zauber