Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/92

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Beschreibungen und historische Nachweise nicht angebracht sind; ich unterlasse dieselben daher auch und beschränke mich auf wenige Worte über dieses weltberühmte Meisterwerk gothischer Baukunst, welches seit Jahrhunderten im Entstehen begriffen ist und vielleicht niemals vollendet werden wird. Auch der Cölner Dom stellt im Grundrisse die Form des Kreuzes dar; die Thürme, von denen der eine beinahe, der andere halb vollendet war, sind seine Hauptzierde und sehen so luftig, so kühn und so zierlich aus, wie nur die Begeisterung sie entwerfen konnte. – Sie sollten nach ihrer Vollendung mit einer majestätischen Blume in Kreuzesform gekrönt werden nach dem frommen Glauben des Mittelalters, das dieses heilige Symbol allem Erhabenen aufdrückte und in dem kühnen Aufstreben desselben das Ziel aller irdischen Sehnsucht darstellt. Ein reich und sinnig verziertes Hauptportal führt nach dem Mittelschiff, zwei einfache Nebenportale nach den Seitenschiffen, welche von jenem durch luftige Säulen und Spitzbogengewölbe getrennt sind. Das Ganze ist von Außen durch mächtige Strebepfeiler zusammen gehalten. Ruft schon der äußere Anblick der Kirche eine feierliche Stimmung hervor, so steigert sich dieses Gefühl bis zur schauervollen Ehrfurcht und Anbetung Dessen, der alle Räume füllt und von dessen Nähe man sich in diesem feierlichen Halbdunkel bis zur Beklommenheit ergriffen fühlt. Die hohen schmalen Spitzbogenfenster, mit köstlicher Glasmalerei bedeckt, welche die Lebens- und Leidensgeschichte des Heilandes und seiner Apostel darstellt, scheinen den Zweck zu haben, den Betenden von der Außenwelt abzusondern und seine Seele ganz und gar mit dem Gekreuzigten zu beschäftigen. Das Chor und die Kapelle dahinter sind wahre Perlen der Architektur und Bildhauerei. Es giebt noch mehrere Kapellen hier, in denen man viele Heiligthümer aufbewahrt. Unter anderen zeigte man uns die Schädel der heiligen drei Könige, welche Kronen von falschem Gold und Edelsteinen tragen; der Küster versicherte uns, daß Letztere früher echt gewesen seien. Ich hätte gern stundenlang hier geweilt, allein Miß M. war befriedigt und wir verließen den Dom zu Cöln. Leider sahen wir das Museum und die Kirche mit den Gebeinen der elftausend Jungfrauen nicht, und ich vermochte diese vandalische Gleichgiltigkeit an einer Dichterin um so weniger zu begreifen, als sie reich und verschwenderisch war.