Aermer noch als an andern Leistungen waren die Ausstellungs-Säle hinsichtlich der historischen und unter dieser Rubrik sonst wohl noch cursirenden Gemälde. Als das verdienstlichste in dieser Gattung muß hier das folgende genannt werden: Der Tod des Codrus, Carton-Zeichnung von Matthäi, Professor. Schon die Veranlassung zu diesem Werke ist erfreulich und darf als solche hier erwähnt werden. Die Stände der an das Königreich Preußen abgetretenen Nieder-Lausitz wünschen einem ihrer ehemaligen, nun in sächsischen Dienst zurück getretenen Mitbürger, Hrn. v. Houwald, ihre Dankbarkeit für die ihnen von diesem thätigen Manne bei Führung eines bedeutenden Amtes geleisteten Dienste sinnig aus zu drücken, und bestimmen ihm daher das vorerwähnte, von dem treflichen Künstler aus zu führende Gemälde zum Geschenk. Ob die Wahl des Gegenstandes von dem Künstler oder von den Bestellern herrühre, ist uns nicht bekannt, doch ist sie auf jeden Fall glücklich zu nennen. Codrus ist verwundet gesunken und giebt seinen starken Geist in edlem Schmerze auf: seine weinende Tochter knieet vor ihm und benetzt die Hand des Sterbenden mit ihren Thränen, während dieser auf der andern Seite von einem trauernden Krieger gestützt wird. Hinter dem Gefallenen steht ein bekränzter Priester, der, auf die nun zu erwartende Erfüllung des Orakels deutend und zur Ergreifung des Augenblicks anmahnend, mit der einen Hand auf den Himmel, mit der andern auf das Schlachtgetümmel zeigt. Dies die Hauptgruppe im Mittelpunkt. Zur Linken eine Gruppe sich nähernder, theilnehmender Krieger, die im Vorgrund durch einen knieenden, dem König ein Gewand unterstreckenden Greis, mit der Hauptgruppe gut verbunden ist. Zur Rechten ein Krieger, der, im Begriff, den Streitwagen zu besteigen, scheidend einem von ihm umarmten Jüngling noch weise Lehren giebt. Diese dritte schöne Gruppe ist mit der Hauptgruppe durch das in entferntem Hintergrunde sichtbare Getümmel der Kämpfenden verbunden; doch entsteht im Vorgrund eine Unterbrechung, der vielleicht noch ein Bindungsmittel zu wünschen gewesen wäre. Die drei Gruppen schließen das Bild in treflichster Anordnung. Wie sich aber der Meister in der Gruppirung ausgezeichnet, eben so hat er sich auch in der Zeichnung bewährt, an der nur einige Einzelheiten bescheiden gerügt werden dürften. Vorzüglich schön ist die Lage des sterbenden Königs, die Stellung der weinenden Tochter und die Zeichnung des knieenden Greises, so wie des Kriegers und des Jünglings zur Rechten. Nur ist das rechte Bein des Codrus am Knie verzeichnet, das Knie selbst zu lang und der Waden-Ansatz zu tief; dann bildet der linke herab hängende Arm dieser Figur mit dem des sie unterstützenden Kriegers und des hinter ihm stehenden Priesters einige Ecken, perpendikulair und parallel laufende harte Linien, die vielleicht zu vermeiden gewesen wären; auch ist die Richtung des Armes des auf das Gefecht zeigenden Priesters mit dem Rücken der gebeugten königlichen Tochter für das genau spähende Ange noch zu gleichlaufend, und der Faltenwurf am Gewande des den Streitwagen besteigenden Kämpfers hat einige harte Linien. Doch darf diese Aufzählung kleiner Makel nicht als Verkennung des überwiegenderen Verdienstes in der Zeichnung angesehen werden. Auch im Ausdruck glänzt dieses Bild, und ist hier wohl tadelsfrei. Mit wenigen Mitteln hat der Kopf des sterbenden Codrus den edelsten Ausdruck des Schmerzes erhalten, während das herab fallende Haar den weiblichen Schmerz in den Zügen der Tochter, als unpassend zu diesem Helden-Verein, verbirgt. Sieht man sodann auf den Antlitzen der umstehenden Krieger den idealen Ausdruck theilnehmenden Schmerzes, und den Jüngling, wie er mit Blicken und Zügen an den belehrenden Lippen des in den Streit eilenden Kämpfers hängt, so gewinnt das Bild ein Leben voll Wahrheit, das nur noch den Glanz der Farben zur Verherrlichung zu wünschen übrig läßt. Die Ausführung dieser Zeichnung ist höchst lobenswerth, und zeigt sich selbst an dem Entwurf des Wolkenhimmels, aus welchem über dem Haupte des gefallenen Helden einige Strahlen hervor schießen.
Ein zweites größeres historisches Bild ist: Christus „Lasset die Kindlein zu mir kommen u. s. w.“, Altar-Gemälde von Rösler, Professor. Christus, immitten des Bildes unter einem Palmbaum stehend, von Männern und Frauen umstanden, im Vorgrunde die heran nahenden Kinder als Hauptpersonen des Gemäldes. Die gleich hochstehenden Köpfe der Gruppe zur Linken des Mittlers bilden eine beleidigende Härte in der Composition. Die Zeichnung anlangend, so ist die Hauptfigur des Christus in unnatürlicher, mehr gehender als stehender Richtung, die Biegung des rechten Beines unter dem Gewande schwer erklärlich. Uebrigens gehen die Blicke der zahlreich ausgestellten Figuren, bis auf die von einigen wenigen, aus dem Bilde heraus, und wirken daher keinesweges zur Einheit der Darstellung. Ausdruck ist in den Gestaltungen der Gesichtszüge nicht zu finden: der Künstler mag dabei theils durch den Gegenstand des Gemäldes selbst, theils auch dadurch behindert worden seyn, daß der größte Theil der Figuren zu Portraits der Glieder einer geehrten Familie bestimmt war, deren Züge weder dem Zeitalter des Phidias angehören, noch auch das Gepräge inneren Lebens offen tragen. Was endlich Colorit und Haltung von Licht und Schatten betrifft, so läßt sich darüber, da das Bild noch nicht für ganz vollendet ausgegeben wird, etwas allgemein Umfassendes nicht sagen. Doch sieht man so viel, daß es in seiner Vollendung zu den bunteren Leistungen zeichnender Kunst gehören wird. Die Bläue des Himmels ist außerordentlich düster und dick aufgetragen, die Ferne schwimmt in violettem Ton, und auch die Farben der Gewänder wollen nicht überall recht im Einklang hervor treten. Vor dem Christus auf der beleuchteten Seite steht ein Kind, das, gleich als sey es aus Peter Schlemihls Geschlecht, sonderbar genug! keinen Schatten wirft.
Ein Carton, die Philosophie vorstellend, von Vogel, Professor. Dieser Carton gehört zu den Entwürfen der vom Künstler im Schloßsaale zu Pillnitz in Fresco ausgeführten allegorischen Gemälde. Was sonst wohl schon von Allegorien überhaupt gesagt worden ist, zu wiederholen, oder näher zu erläutern, ist hier nicht der Ort. In einem dreieckigen Raume ist die Philosophie geradeaufschwebend dargestellt, wie sie zwei Genien, die Erleuchter des Menschengeschlechts, mit ihren Fittigen schützend deckt. Wenn man die runden, gutmüthigen Formen ihrer Gesichtszüge betrachtet, wird man versucht, darauf zu wetten, daß hier die eklektische Philosophie gemeint sey.
Die heilige Jungfrau mit dem Christuskinde erscheint dem heiligen Johann Nepomucenus und Antonius von Padua; Altar-Gemälde, erfunden und in Oehl gemalt von H. Arnold. Wenn an diesem Bilde einerseits die Beschränkung des Künstlers durch bestimmte Aufgabe der Besteller, und die Flüchtigkeit, in welcher es ausgeführt ist, wahrgenommen wird, so ist doch auf der anderen Seite sein, größerer Muße und thätigerer Unterstützung wohl werthes Talent darin nicht zu verkennen. Stellung und Zeichnung der beiden Heiligen ist zu loben und selbst das Colorit hat einen guten Grund. Aus dem Ganzen aber ersieht man, daß dieser Maler bei Anwendung größerer Sorgfalt noch bessere Leistungen zu liefern im Stande wäre. Möge ihm erwünschte Gelegenheit und Unterstützung dazu werden!
Herkules und Omphale, eigene Erfindung und gemalt von Heinrich Schulz aus Hamburg, Schüler des Professor Matthai. Als Versuch eines jungen Künstlers rühmlich zu erwähnen. Omphale stehend gegen den sitzenden Herkules sanft gelehnt, gut gruppirt; die richtige Zeichnung des Herkules ist des Lehrers würdig, dem der Künstler seine Anleitung verdankt. Die Gesichtsbildung der Omphale ist, ohne zu den Idealen zu gehören, durchaus nicht mißfällig. Nur die etwas harten Drappirungen und die der Wärme und des Lebens ermangelnde Carnation möchten zu tadeln seyn. (Die Fortsetzung folgt.)
Unbekannt: Die Dresdner Kunst-Ausstellung, 1822 (Verspäteter Bericht). Maurer, Berlin 1823, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Gesellschafter_Kunstausstellung_Dresden_1822.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.12.2024)