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sie in Ruh. Und Fatma Nansen lebte das Traumleben ihrer letzten Liebe weiter, in sich gehüllt, in sich versponnen, bis der Tag des grausamen grellen[1] Erwachens für sie kam.

Jo hatte nie mit ihr gesprochen. Dazu war sie viel zu feinfühlend und zu diskret. Und doch hatte es sie nach ihrem Besuch im Untersuchungsgefängnis in Moabit mit fast unwiderstehlicher Gewalt dazu gedrängt und getrieben[2]. Ihr angebornes Taktgefühl hatte immer wieder der Versuchung widerstanden.

Sie war jetzt an sich, an Heise, an allem irre geworden. Sie begriff nicht, warum er[3] damals, als sie zu ihm gekommen war, so kühl, so fern und so fremd zu ihr gewesen war. Der Gedanke kam ihr nicht, dass er es tat, um ihre Liebe vor der Welt zu verbergen, solange er ein Nichts war, dass er es tat aus Angst, sie als seine Braut – so etwas war sie doch wohl gewesen – in den Mordprozess zu verwickeln.

Ihr bestürztes Suchen nach einem plausiblen Grund für sein unverständliches Verhalten fand ihn nur in seiner Beziehung zu Fatma. So sehr sie sich auch gegen diesen Glauben sträubte, so verächtlich sie zuerst diese Mythe als baren Unsinn von sich gewiesen hatte, es gab keinen andern Anlass für die Wandlung, die in ihm vorgegangen war. Er liebte Fatma, hatte sie wohl immer schon geliebt, hatte mit ihr selbst nur sein Spiel getrieben – doch – doch – hatte sie nur ausgebeutet, hatte sie ausgenutzt, trotz seines Getus und seiner grossen Sprüche und seiner Abwehr, Hilfe von ihr anzunehmen. In jener entsetzlichen Nacht hatte er endlich die Maske des Mannes, der von einer Frau nichts annehmen kann,


  1. Vorlage: gfellen
  2. Vorlage: getreiben
  3. Vorlage: es
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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/173&oldid=- (Version vom 31.7.2018)