Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. | |
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weil die Sonntag wirklich das war, was die Recensenten aus ihr machten, sondern nur weil sich das Publicum jetzt, das sie nie gehört hat und also auch nicht darüber urtheilen kann, nur das Außerordentlichste darunter denkt. Was wollen Sie denn nachher noch über mich schreiben?”
Herr Köser hatte wirklich mit einer merkwürdigen Gemüthsruhe diese heftigen und leidenschaftlichen Aeußerungen angehört, oder vielmehr über sich ergehen lassen, weil er doch recht gut wußte, daß er diesen Strom nicht dämmen konnte. Er mußte ruhig ablaufen. Jetzt nachdem die Dame schwieg – und er öffnete indessen einen Brief nach dem anderen – sagte er:
„Verehrtes Fräulein, ich schreibe überhaupt gar nichts – Briefe an meine Correspondenten ausgenommen – also mir können Sie keine Vorwürfe machen. Ich lese nicht einmal meine eigene Zeitung und gehe nicht in’s Theater – was ich aber über Fräulein Bergen gehört habe klang sehr lobenswerth und ihre Jugend –“
„Jugend – bah –“, sagte Fräulein Ostachini – „sie ist noch nicht hinter den Ohren trocken und schon die größte Kokette, die es auf der Welt geben kann. Die versteht’s – und was muß die Welt denken, wenn neben mir ein solches – Geschöpf in der Weise herausgestrichen wird?”
„Aber, mein bestes Fräulein“, sagte Herr Köser, „was wollen Sie? – wie ich gehört habe hat es vorgestern Abend wirklich Kränze und Bouquets geregnet und wenn sich das Publicum selber –”
„Reden Sie nicht, als ob Sie eben erst auf die Welt gekommen wären“, unterbrach ihn Fräulein Ostachini mit einer wegwerfenden Bewegung des Kopfes – und sie that Herrn Köser darin Unrecht, denn mit seinem unrasirten Gesicht und den grauen Bartstoppeln sah er wahrhaftig nicht so aus – „als ob man nicht wisse, woher die Kränze und Bouquets kommen und wie billig das ist, wenn man es geschickt gemacht hat. Wenn ihr nur jeder ihrer Courmacher ein Bouquet geworfen hätte, wäre sie im Grünen erstickt. – Soliden Damen (Fräulein Ostachini zählte 38 Jahre) – sind allerdings solche Hülfsquellen verschlossen – aber desto scheußlicher ist es“, fuhr sie gereizt fort, „wenn sich die unabhängige Presse auch noch dazu hergiebt, Vorspann an dem Triumphwagen einer solchen – Person zu nehmen. Sängerin, bah – sie hat keine Spur von Coloratur; der eine Triller war eine wirkliche Parodie auf jeden Gesang und bei den hohen Tönen erfaßte mich fortwährend eine unsagbare Angst, daß sie jetzt umkippen müsse – und das Spiel – wie eine Wahnsinnige fuhr sie auf der Bühne herum und das heißt nachher ein Kunsttempel – man möchte verrückt darüber werden.”
„Und womit kann ich Ihnen eigentlich dienen?“ sagte Herr Köser, indem er eben seinen letzten Brief aufbrach; die gelesenen hatte er auf verschiedene Haufen sortirt.
Fräulein Ostachini gerieth wirklich in Verlegenheit um eine Antwort, denn eigentlich hatte sie nur schimpfen und ihrem Herzen Luft machen wollen – einen weiteren Zweck konnte ihr „Besuch” natürlich nicht haben.
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/21&oldid=- (Version vom 14.2.2021)