Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. | |
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„Mir?“ sagte sie endlich – „mir sollen Sie gar nicht dienen; aber dem Publicum, indem Sie nicht solche wahnsinnige Recensionen hinaus in die Welt werfen, die diese Mamsell vergöttern und einen Stern aus einem völlig talentlosen Ding machen. Wer soll denn da noch Liebe zur Kunst haben, wenn man sieht, daß die größte Mittelmäßigkeit in solcher Weise verherrlicht wird? Meiner Meinung nach erheischte doch schon die Würde Ihres Blattes, daß Sie nicht einer solchen Profanirung zugänglich wären.“
„Die Würde unseres Blattes?" sagte Herr Köser und selbst ihm kam diese Behauptung komisch vor; „aber, mein liebes Fräulein, wir recensiren nur oder geben vielmehr der Stimme des Publicums Ausdruck – unparteiisch versteht sich und allein im Sinne der Kunst, – und darin werden Sie mir doch gewiß Recht geben, daß junge aufstrebende Talente unterstützt werden müssen.”
„Junge Talente!” sagte Fräulein Ostachini; „die Person hat sich schon auf drei, vier Theatern herumgetrieben. Doch Sie werden es erleben. Am Sonntag singt sie die Julia und eine schöne Vorstellung mag das werden. Das sage ich Ihnen aber, wenn Sie in diesen Lobhubeleien fortfahren, so sind wir die längste Zeit Freunde gewesen. Ich verlange von einer Theaterzeitung ein unparteiisches, durch keine Rücksichten oder Protectionen beeinflußtes Urtheil.“
„Fräulein Ostachini!” sagte Herr Köser.
„In der That“, rief aber die aufgeregte Dame – „und nicht die geringste Rücksicht für mich selber – aber auch eben so für Andere und Ihrem Herrn Lerche bitte ich das von mir auszurichten.”
„Und sonst kann ich Ihnen mit nichts dienen?“ sagte Herr Köser, während die Dame ihren Shawl fester um die Schultern zog.
„Heute nicht“, sagte Fräulein Ostachini, nicht in der Stimmung höflich zu sein; „guten Morgen, Herr Köser!“ und mit den Worten fegte sie zum Bureau hinaus und nahm alle die Papierschnitzeln, Bindfaden, Nußschaalen und sonstigen Gegenstände mit, die in ihrer Bahn lagen und die die alte Kathrine in den letzten Tagen versäumt hatte auszukehren.
Herr Köser sah ihr über seine Brille nach – ohne sie zu begleiten, wie er es vorher bei Herrn Bomeier für nöthig befunden; dann aber, als sie die Thür hinter sich zuschlug murmelte er leise:
„Ja wol – nicht die geringste Rücksicht für mich selber und das Unglück möchte ich erleben, wenn wir nur ein einziges Mal sagten daß ihre Stimme – die so scharf geworden ist, daß sie Einem durch Mark und Bein schneidet, ein wenig belegt gewesen wäre – Herr Du meine Güte, ich glaube Sie drehte das Contor um.”
Der eine Schreiber, der sich kurz vorher ein Packet Briefe geholt hatte, die ihm Herr Köser bei Seite gelegt, kam damit wieder zu seinem Pult.
„Aber ich muß in die Druckerei zurück“, sagte der Setzerjunge, der noch immer in der Ecke stand.
„Und der Doctor kommt noch immer nicht!” rief Herr Köser und
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/22&oldid=- (Version vom 14.2.2021)