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nicht so einfach, so natürlich geblieben sein, wenn es sich nicht immer wieder gestärkt und erfrischt hätte an dem heiligen Born, aus dem die reinsten Freuden entspringen: an der Familie, an der Heimatnatur. Diese sind Thomas „große Akademie“. Thoma hat eigentlich nie etwas anderes gemalt, als was er diesen beiden Kreisen im weitesten Sinne entnommen hat. Allerdings hat er dann kraft seiner Größe als Mensch und Künstler diese Anschauungen ins Weltbild erweitert.

Da sind zunächst seine Bildnisse zu nennen. Mit ganz wenig Ausnahmen hat Thoma, außer von sich, seinen Familienangehörigen und einigen befreundeten Personen, Bildnisse im weiteren Sinn geschaffen. Aber welche Fülle und Bedeutung hat er innerhalb dieser Begrenzung entfaltet! Zahlreich sind seine Selbstbildnisse, mit denen er die Hauptpunkte seines Lebens festlegt, von der Bleistiftzeichnung des Sechzehnjährigen an durch alle Lebenszeiten bis zu den Bildern seines Patriarchenalters. Ganz besonders stark sind auch die Bildnisse seiner Mutter und Schwester, seiner Frau und seiner nächsten Freunde Eiser und Küchler. Mit einer Dürerischen Kraft und Tiefe des Ausdrucks sind hier die Anschauungen zum Typus gesteigert und doch wieder aus der dem Typischen eigentümlichen Zurückhaltung und Ferne durch irgend eine anmutende Zugabe – und wäre es nur ein Blütenzweig, ein Blumenstrauß oder ein lauschiger Waldhintergrund aus der Heimat – in warme, herzlich trauliche Nähe gerückt. Immer wieder kehren die Darstellungen aus seinem Familienkreise in mannigfacher Wandlung und Verwendung in seinem Werk auf: die Mutter, die mit vertrauender und schützender Liebe das Werden und Wachsen ihres großen Sohnes betreute, als Märchenerzählerin, als Religionslehrerin, als schicksalgebietende Norne, eben als die Mutter, die ihm die weite und doch geschlossene Weltanschauung gab; dann die stattlich schöne Gattin als blumenliebendes Mädchen, als treueste Hüterin der Kinder, als Gärtnerin (Giardiniera), als Römerin, als die gütige Huldin seines Lebens

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Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)