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„Ich, ein guter Indianer!“ betheuerte Tom, die Hand auf die Brust legend, „ich, ein sehr guter Indianer – habe weißen Mann lieb, thue Alles für weißen Mann, gehe in die Kirche; ich ein ganz guter Indianer!“

„Aber weißt Du wohl,“ widerlegte ihn der Händler, „daß kein guter Indianer Whiskey anrührt? daß die guten Indianer ihn Alle verschmähen und daß nur die Bösen, Nichtsnutzigen das Feuerwasser trinken?“

„Ich ein verdammter Schurke sein!“ entgegnete Tom höchst ernsthaft.

„Ja, wenn das ist,“ lachte der Alte laut auf, „da muß ich wohl herrücken,“ und schmunzelnd schenkte er dem Indianer ein volles Glas ein, das dieser mit einer gar freundlichen Miene leerte.

Kaum war Tom mit seinem erlegten Wilde in das Haus getreten, als der Neffe des Yankee’s, eben derselbe Jäger, dem Tom an diesem Morgen so ohne Weiteres den Hirsch abstreifte, am Hause erschien. Er hatte den Indianer erkannt und warf fluchend sein Hirschfleisch von der Schulter, als er dessen Flinte am Hause lehnen sah.

„Warte, Schurke,“ murmelte er für sich hin, „Du sollst doch Deinen nächsten Schuß wenigstens fehlen, dafür will ich sorgen, und wenn ich kein Fell habe, sollst Du, auf diese Ladung Pulver wenigstens, auch keins mit heim bringen.“

Damit schlich er sich leise an die Flinte hinan und zog mit seinem Kretzer schnell den obersten Pfropfen heraus und ließ sich die Schrote in die Hand laufen; damit aber noch nicht zufrieden, nahm er den andern Pfropfen ebenfalls und setzte einen neuen auf, daß sich ja kein Schrot in jenem hätte verhalten und doch vielleicht noch tödten können, lehnte dann die Flinte wieder an ihre alte Stelle und trat, als ob er eben käme, zu den Männern in den Laden.

Tom hatte seine Einkäufe besorgt, steckte, was er für seine Jagdbeute erhalten, in die Kugeltasche, die an seiner rechten Seite hing, setzte nochmals das Glas an, das er schon zum zweiten Male leer getrunken, und sog die letzten Tropfen heraus, trat dann vor die Thür, ergriff seine Flinte und war im Begriff, nach kurzem Gruß den Weg zu seinem Dorfe einzuschlagen, als die Truthühner seine Aufmerksamkeit erregten, die eben, durch einige ihnen vorgeworfene Maiskörner herbeigelockt, die Köpfe Alle zusammen auf einen Punkt hielten und dadurch ein herrliches Ziel boten.

Tom bemerkte es und lächelnd auf sie anschlagend, rief er zum alten Kaufmann zurück: „Ich sehr froh – solchen Schuß draußen im Wald!“

„Und ich wette einen Dollar, Du triffst keinen!“ rief der junge Mann, der die Gelegenheit schnell ergriff, sich an dem Indianer zu rächen.

„Ich keinen Dollar haben,“ antwortete Tom ganz ruhig; „alte Mann aber hat Otterfell von mir – groß Otterfell – werth ein Dollar und ein halb Dollar – Ihr wettet ein Dollar und ein halb Dollar dagegen – ich treffen viel – viel von denen da!“

„Topp!“ rief Jener, „hier sind meine anderthalb Dollar – und verlierst Du, so zahlt mir Onkel das Otterfell!“

„Gut,“ sagte der Indianer und zog den Hahn seiner Flinte auf, um nach dem Pulver zu sehen. –

Der Alte wollte Einwendungen dagegen machen, denn er hielt es gar nicht für möglich, daß der Indianer fehlen könne und fürchtete, sein Neffe werde das Geld wirklich bezahlen müssen, doch gab ihm dieser schnell einen Wink und leicht beruhigte er sich, als er den wahren Stand der Sache ahnete; den Indianer anzuführen hielt er für nicht mehr als recht.

Tom hatte sich unterdessen überzeugt, daß das Pulver in der Pfanne trocken und in gutem Zustande sei, legte also an, zielte und – drückte ab. Bei dem so nahen Schuß (kaum 30 Schritte von ihnen entfernt) flatterten die Truthühner erschreckt empor und zerstreuten sich; keins von allen aber fiel oder gab nur das mindeste Zeichen, daß es verwundet sei.

Tom stand wie versteinert und schaute bald seine Flinte, bald die Hühner, bald die beiden Männer an; der Jüngere aber sprang und jubelte und lachte und geberdete sich wie toll; endlich, als er wieder zu Worte kommen konnte, rief er immer noch mit vor Lachen halb erstickter Stimme:

„Guter Tom, guter Tom, wo ist Dein ein Dollar und ein halber Dollar für das Otterfell? o, guter Tom!“ und wieder begann er zu tanzen und zu springen; Tom aber war sehr kleinmüthig und meinte, seine Decke fest um sich herumziehend:

„Dom zu viel Whiskey – nicht gut! macht Kopf schwer und Hand zittern – Tom keinen Whiskey mehr trinken!“ und damit trollte er in seinem schwebenden Gang dem Walde zu, in dem er bald verschwand. –

Vierzehn Tage mochten nach diesem Vorfall etwa vergangen sein, als eines Nachmittags, gerade da die beiden Weißen, Onkel und Neffe, wieder zusammen

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Friedrich Gerstäcker: Der Osage. Baumgärtner, Leipzig 1844, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Osage-Gerstaecker-1844.djvu/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)