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Sie sah geradezu vornehm aus. In ihrem Gesicht war ein Zug von hochmütiger Verschlossenheit.

Harald steckte die Kabinettphotographie zu sich. „Du gestattest doch, Mutter Flepp. Ich werde das Bild brauchen,“ sagte er kurz. Dann fragte er: „Wer wohnt dort neben uns?“ Und er zeigte auf die verstellte Tür.

„Der Steuermann einer französischen Jacht.“

„Jacht?“ Etwa die, die unweit der Atlanta am Kai liegt?“

„Ja, die französische Jacht „Mohalla“, einem Monsieur James Goorb gehörig. Goorb, ein alter Herr, treibt sich im Lande herum. Die Besatzung hat er bis auf drei Mann beurlaubt. Zwei Leute sind als Wache an Bord, und der Steuermann Malcolm wohnt hier. – Weshalb fragst Du nach der Mohalla, Jung’?“

„Ich frage immer sehr viel, Mutter Flepp. Das liegt so bei uns im Beruf. – Ist einer der Leute von der Mohalla ein kleiner pockennarbiger, bärtiger Kerl mit goldenen Ringen in den Ohren?“

„Stimmt, Jung’. Das ist der eine Mann der Wache. Er heißt Brigham und ist Schotte.“

„So so – Ob der Steuermann Malcolm jetzt nebenan auf seinem Zimmer ist?“

„Nein, Harst, – da ist er nicht. Der Brigham holte ihn vor anderthalb Stunden aus der Kneipe unten weg. Sie hatten’s mächtig eilig, die beiden. Seitdem ist Malcolm noch nicht zurückgekehrt.“

„Mutter Flepp, hast Du Bessies Zimmer ordentlich durchsucht? Vielleicht könnte man dort etwas finden, das Aufschluß über den Herrn gibt, mit dem sie das Gayty-Theater verließ.“

„Dort findest auch Du nichts, Jung’. Ich hab’ alles um und um gekehrt. – Hm, nur etwas möchte ich Dir zeigen. Es lag auf Bessies Schreibtisch unter dem Marmorschreibzeug.“

Sie faßte in die Tasche und reichte Harst eine Spielkarte, und zwar eine Karo-Sieben.

„Es fiel mir auf,“ erklärte Mutter Flepp[1] weiter, „daß Bessie diese Karte dort versteckt hatte. Sonst hätte ich das Ding gar nicht beachtet. Ich habe die Karte auch Inspektor Davis schon gezeigt. Der lachte aber und wollte sie zerreißen.“

Harald erhob sich und trat unter die elektrische Hängelampe,


  1. Vorlage: Fleppe
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)