Seite:Der Piratenschoner.pdf/12

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

besichtigte die Karte und schob sie dann ebenfalls in die Tasche.

„Du hast doch nichts dagegen, Mutter Flepp?“ meinte er.

„Ne, Jung’, – wenn Du nur die Bessie wiederbringst. Ich hab’ doch nicht deshalb jeden Pfennig gespart, daß sie nun womöglich irgend einen hergelaufenen Kerl heiratet! Ich hab’ ihr immer gesagt: Bessie, ich bin reich, Du kannst ’ne feine Partie machen!“

„Du hattest wohl schon einen Schwiegersohn in Aussicht, Mutter Flepp?“

„Und ob, Harst, und ob! Schon seit vier Jahren. Ein feiner Mann, ein Lord!“

„Was Du sagst – ein Lord!“

Sie lächelte geschmeichelt. „Ja, Lord Albemarle, früher Oberst in der Kolonialarmee.“

„Wohnt er hier in Madras?“

„Ja, seit fünf Jahren. Er ist in Bessie sehr verliebt. Sie könnte längst seine Frau sein. Schon bevor ich sie nach England in das Pensionat schickte, hätte sie sich mit dem Lord verloben können. Er ist sehr reich. Freilich, mit dem Alter paßt das nicht ganz. Er ist um die Fünfzig herum.“

Harald hatte sich eine Zigarette angezündet.

„Wo war Bessie in Pension, Mutter Flepp?“

„In Liverpool bei Miß Allins. Das vornehmste Töchterpensionat in Liverpool.“

„Gut, Mutter Flepp. Vorläufig weiß ich genug. Wir werden jetzt noch ausgehen. Gibt es eine Möglichkeit, unbemerkt ins Haus zu gelangen?“

„Ja, folgt mir nur.“

Wir schlossen das Zimmer ab. Wir ahnten nicht, daß wir es nicht wieder betreten sollten.

Mutter Flepp brachte uns über eine Seitentreppe auf den Hof und von hier durch einen überdachten Gang zwischen Grenzmauer und Haus an eine kleine Eisentür, die durch die Mauer auf eine Seitengasse führte. Sie gab uns den Schlüssel zu der Eisentür und zeigte uns, wo wir ihn draußen verbergen sollten. – Wir verabschiedeten uns von ihr mit kräftigem Händedruck. Sie rief uns noch leise nach: „Auf Geld kommt’s nicht an, Jung’s! Bringt mir nur die Bessie wieder!“

Die Hafengasse hier war völlig finster. Wir tappten nach dem Kai hinab.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)