Stadt als Aufenthaltsort und erklärte, er hätte alle Karäer umbringen lassen, wenn es nicht nach Zerstörung des Tempels verboten wäre, die Todesstrafe zu verhängen. (Gr. a. a. D. VI, 80.)
Von den Frankisten oder Sohariten, welche die kabbalistische Schrift Sohar als ihr Hauptlehrbuch in der Religion betrachten, und von ihrer Feindschaft gegen die Talmudisten habe ich in meiner Schrift über den Ritualmord gesprochen. Gegenwärtig werden wohl keine Anhänger dieser Sekte mehr gefunden.
Zu derselben Zeit – Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts – als in England die Sekte der „Springer“, und in Amerika die Sekte der „Schüttler“ entstand, tauchte in Polen die Sekte der „Neuchassidäer“ auf. Von dieser neueren Sekte sagt man, sie sei eine Tochter der Finsternis; im Dunkel geboren, wirke sie auch heute noch auf dunklen Wegen fort. Als ihr Stifter gilt Israel, genannt Baal-Schemtob, abgekürzt Bescht, der, als Wunderthäter durch Beschwörungen im Namen Gottes von vielen verehrt, am 1. Juni 1739 gestorben ist. Er war seines Zeichens ein Pferdehändler, der sich auch mit Krankenheilungen abgab, großen Zulauf hatte, auch von kranken Edelleuten in Anspruch genommen wurde. Traurigkeit und düsteres Wesen, das Brüten über dem Talmud oder Sohar waren ihm verhaßt. Heiter und guter Laune ging er in den Straßen umher, rauchte seine Pfeife, klopfte und streichelte Rosse und sprach mit jedermann, auch mit Weibern, was in Polen damals eines anständigen Mannes nicht würdig erachtet wurde. Das hinderte ihn jedoch nicht, zur Zeit des Gebetes oder auch zur Unzeit in sein Kämmerlein zu gehen und sich durch Gesang, Geschrei und tolle Körperbewegungen zu betäuben oder in Verzückung zu setzen. Er fand Anhänger, die sich anfangs nur durch ihr sonderbares und langanhaltendes Beten, durch Waschung vor dem Gebete nach Art der Essäer, und durch das Tragen eines Gürtels von Baumwolle anstatt von Tuch von den übrigen Juden unterschieden. Im Verlaufe eines Jahrzehnts soll die Zahl der Mitglieder dieser Sekte, die man „Neuchassidäer“ nannte, auf zehntausend gestiegen sein. Sie verachteten den Talmud und verspotteten die Talmudisten, machten vor dem gemeinschaftlichen Gebete lustige Spässe, thaten auch manchen guten Zug aus der Flasche, rauchten Tabak, wobei sie an Gott dachten, um sich in eine heitere
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)