auch in der Heiligen Schrift erwähnter Sitte wollten sie dem Ankläger ins Angesicht speien, nach der Anschauung meines H. Recensenten der sicherste Beweis, daß sie den Mord auch wirklich begangen hatten. Und doch ging aus der am 17. Juli 1882 vorgenommenen Lokalaugenscheinnahme hervor, daß der Ankläger das gar nicht gesehen haben konnte, was er gesehen zu haben vorgab, und der Gerichtshof zu Nyire-Gehaza mußte in seinem Urteil die Überzeugung aussprechen, für die Annahme, Esther Solymossi sei ermordet worden, habe sich nicht der geringste Anhalt ergeben, und sämtliche Angeklagte seien deswegen freizusprechen. Auch in betreff des angeklagten Buschhoff in Xanten, den mein H, Recensent des Mordes schuldig hält, erklärte Oberstaatsanwalt Hamm: „Es ist bewiesen, daß Buschhoff die That nicht begangen haben kann, und die Staatsanwaltschaft muß zu dem Antrage kommen, daß „Nichtschuldig“ für den Angeklagten zu beantragen;“ und der erste Staatsanwalt Baumgard sprach: „Ich muß bemerken, daß mir bei meiner langen kriminalistischen Thätigkeit noch kein einziger Fall vorgekommen ist, in dem ein so klar zusammenhängender Beweis geführt wurde, daß der Angeklagte die That nicht begangen haben kann, wie in diesem Falle;“ auch die Geschworenen hatten die nämliche Überzeugung gewonnen, und sprachen ihr „Nichtschuldig“ aus. Wie man angesichts dessen heute noch sagen kann, man halte die betreffenden Juden wegen ihres Benehmens vor Gericht für schuldig, ist mir ein Rätsel, und wird nur dann einigermaßen erklärlich, wenn man sich auf den Standpunkt Dr. Rohlings stellt, welcher behauptet, die gesamte Justiz sei an die Juden verkauft, und die Geschworenen seien superlative Esel, also Esel erster Klasse.
„Ich verschanze mich nicht,“ sagt weiter mein H. Recensent, „mit meinem „Aberglauben“ weder hinter Geheimsekten noch Geheimlehren, sondern sage, daß ein abergläubischer, ungebildeter, sonst aber orthodoxer Jude, der sein Heil sucht und darüber nachgrübelt, auch bekannt mit dem Johannisevangelium ist: Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt u. s. w., sehr leicht auf Ritualmord-Gedanken kommen kann . . . durch Mißverständnis, Christenhaß und Aberglauben können Juden (ich sage nicht: die Juden) auf Abwege gekommen sein, die zum Ritualmord führen.“ „Zum jüdischen Kultus“ (wird hierauf bezüglich in einer anderen Zuschrift mir gesagt) „gehört eben das blutige
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)