anführt: „Die Stimmen aller Völker klagen die Juden der Ritualmorde an.“ – Das ist für jeden, der sich nur einigermaßen mit der Ritualmord-Frage beschäftigt hat, eine Unwahrheit. Der „hervorragende Mann der Wissenschaft und des praktischen Lebens“ scheint das auch selbst zu fühlen und deshalb fügt er gleich bei, es sei das nur seine Ansicht. „Nach meiner Ansicht,“ sagt er, „begehen die Juden Ritualmorde nicht nur an Christenkindern, sondern sie entziehen den Kindern aller Nationen das Blut und haben das auch schon vor Christus gethan, getreu ihrer Prophezeiung, daß sie alle Völker der Erde fressen werden“ (5. Mos. 7, 16). – Es ist das zwar nur eine Ansicht, aber sie hat die Eigenschaft, daß sie funkelnagelneu ist und sogar noch über Apion hinausgeht. Nach dieser Ansicht wären also die Worte aus dem 5. Buche Mosis, die nach dem ganzen Zusammenhange nur allein den Sinn haben können, daß die Juden die seitherigen Bewohner Kanaans vertilgen sollen, im buchstäblichen Sinne zu nehmen, daß die Juden alle Völker der Erde, nicht bloß des Landes Kanaan essen sollen. Aber wie ist das möglich? Das bringen die Juden ganz einfach dadurch fertig, daß sie einzelne Menschen aus allen Nationen töten und deren Blut, worin das Leben ist, genießen. Selbstverständlich suchen die Juden sich immer nur Opfer mit dem reinsten Blut heraus, worauf H. Bewer mit den Worten aufmerksam macht: „Die sprunghaft von einem Volk zum anderen hinübergreifende Hand, die bald im Kloster von Damaskus, bald in Skurz, bald in Tisza-Eszlar, bald in Xanten, Polen, Konitz, stets an Stellen, wo das nationale Blut der Völker rein und unverdorben fließt, sehr wählerisch nach einer unschuldigen Seele greift, scheint mit dem höchsten Raffinement gerade diese Prophezeiung der Juden wahr zu machen.“ – Allerdings bleibt dabei rätselhaft, daß die Juden im syrischen Damaskus sich einen Italiener, den P. Thomas als Opfer des Ritualmords gewählt haben sollen, und auf die sittlichen Zustände des Gymnasiums in Konitz würde es ein sonderbares Licht werfen, wenn der unglückliche Winter die keuscheste und unschuldigste Seele unter allen Gymnasiasten daselbst gewesen sein sollte.
Ist nun das Motiv zu den Ritualmorden wirklich bloßer Aberglaube? fragt Max Bewer, und giebt sich selbst die Antwort auf seine Frage, indem er fortfährt: „Die Natur hat an den Genuß von Blut
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/82&oldid=- (Version vom 31.7.2018)