Seite:Der Stechlin (Fontane) 062.jpg

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Sünde, heiß wie die Hölle“, wie bereits Talleyrand gesagt haben soll. Aber, Pardon, daß ich Sie mit so was überhaupt noch belästige. Schon mein Vater sagte mal: „Ja, wir auf dem Lande, wir haben immer noch die alten Wiener Kongreßwitze.“ Und das ist nun schon wieder ein Menschenalter her.“

     „Ach, diese alten Kongreßwitze“, sagte Rex verbindlich, „ich möchte mir die Bemerkung erlauben, Herr Major, daß diese alten Witze besser sind als die neuen. Und kann auch kaum anders sein. Denn wer waren denn die Verfasser von damals? Talleyrand, den Sie schon genannt haben, und Wilhelm von Humboldt und Friedrich Gentz und ihresgleichen. Ich glaube, daß das Metier seitdem sehr herabgestiegen ist.“

     „Ja, herabgestiegen ist alles, und es steigt immer weiter nach unten. Das ist, was man neue Zeit nennt, immer weiter runter. Und mein Pastor, den Sie ja gestern abend kennen gelernt haben, der behauptet sogar, das sei das Wahre, das sei das, was man Kultur nenne, daß immer weiter nach unten gestiegen würde. Die aristokratische Welt habe abgewirtschaftet, und nun komme die demokratische…“

     „Sonderbare Worte für einen Geistlichen,“ sagte Rex, „für einen Mann, der doch die durch Gott gegebenen Ordnungen kennen sollte.“

     Dubslav lachte. „Ja, das bestreitet er Ihnen. Und ich muß bekennen, es hat manches für sich, trotzdem es mir nicht recht paßt. Im übrigen, wir werden ihn, ich meine den Pastor, ja wohl noch beim zweiten Frühstück sehen, wo Sie dann Gelegenheit nehmen können, sich mit ihm persönlich darüber auseinanderzusetzen; er liebt solche Gespräche, wie Sie wohl schon gemerkt haben, und hat eine kleine Lutherneigung, sich immer auf das jetzt übliche: ‚Hier steh’ ich, ich kann nicht anders‘ auszuspielen. Mitunter sieht es wirklich so aus, als ob wieder eine gewisse

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin 1899, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)