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Verzug. Man weiß immer, wenn man Verzug ist. Ich wenigstens hab’ es immer gewußt.“

     „Das glaub’ ich.“

     „Das glaub’ ich! Wie wollen Sie das erklären?“

     „Einfach genug, gnädigste Gräfin. Jede Sache will gelernt sein. Alles ist schließlich Erfahrung. Und ich glaube, daß Ihnen reichlich Gelegenheit gegeben wurde, der Frage ‚Verzug oder Nichtverzug‘ praktisch näherzutreten.“

     „Gut herausgeredet. Aber nun, Armgard, sage dem Herrn von Stechlin (ich persönlich getraue mich’s nicht), daß wir in einer halben Stunde fort müssen, Opernhaus, ‚Tristan und Isolde‘. Was sagen Sie dazu? Nicht zu Tristan und Isolde, nein zu der heikleren Frage, daß wir eben gehen, im selben Augenblick, wo Sie kommen. Denn ich seh’ es Ihnen an, Sie kamen nicht so bloß um ‚five o’clock tea’s‘ willen, Sie hatten es besser mit uns vor. Sie wollten bleiben…“

     „Ich bekenne…“

     „Also getroffen. Und zum Zeichen, daß Sie großmütig sind und Verzeihung üben, versprechen Sie, daß wir Sie bald wiedersehen, recht, recht bald. Ihr Wort darauf. Und dem Papa, der Sie vielleicht erwartet, wenn es Jeserich für gut befunden hat, die Meldung auszurichten, – dem Papa werd’ ich sagen, Sie hätten nicht bleiben können, eine Verabredung, Klub ober sonst was.“

* * *

     Während Woldemar nach diesem abschließenden Gespräch mit Melusine die Treppe hinabstieg und auf den nächsten Droschkenstand zuschritt, saß der alte Graf in seinem Zimmer und sah, den rechten Fuß auf einen Stuhl gelehnt, durch das Balkonfenster auf den Abendhimmel.

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_145.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)