Seite:Der Stechlin (Fontane) 162.jpg

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Medizindoktor, sondern ein Musikdoktor. Sie haben von ihm rein zufällig noch nicht gehört, weil erst vorige Woche, nach einer langen, langen Pause, die Musikstunden wieder aufgenommen wurden. Er ist aber schon seit Jahr und Tag Armgards Lehrer.“

     „Musikdoktor? Giebt es denn die?“

     „Lieber Stechlin, es giebt alles. Also natürlich auch das. Und so sehr ich im ganzen gegen die Doktorhascherei bin, so liegt es hier doch so, daß ich dem armen Wrschowitz seinen Musikdoktor gönnen oder doch mindestens verzeihen muß. Er hat den Titel auch noch nicht lange.“

     „Das klingt ja fast wie ’ne Geschichte.“

     „Trifft auch zu. Können Sie sich denken, daß Wrschowitz aus einer Art Verzweiflung Doktor geworden ist?“

     „Kaum. Und wenn kein Geheimnis…“

     „Durchaus nicht; nur ein Kuriosum. Wrschowitz hieß nämlich bis vor zwei Jahren, wo er als Klavierlehrer, aber als ein höherer (denn er hat auch eine Oper komponiert), in unser Haus kam, einfach Niels Wrschowitz, und er ist bloß Doktor geworden, um den Niels auf seiner Visitenkarte los zu werden.“

     „Und das ist ihm auch geglückt?“

     „Ich glaube ja, wiewohl es immer noch vorkommt, daß ihn einzelne ganz wie früher Niels nennen, entweder aus Zufall oder auch wohl aus Schändlichkeit. In letzterem Falle sind es immer Kollegen. Denn die Musiker sind die boshaftesten Menschen. Meist denkt man, die Prediger und die Schauspieler seien die schlimmsten. Aber weit gefehlt. Die Musiker sind ihnen über. Und ganz besonders schlimm sind die, die die sogenannte heilige Musik machen.“

     „Ich habe dergleichen auch schon gehört,“ sagte Woldemar. „Aber was ist das nur mit Niels? Niels ist doch an und für sich ein hübscher und ganz harmloser Name. Nichts Anzügliches drin.“

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)