Seite:Der Stechlin (Fontane) 168.jpg

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Prinz Heinrich war auch bedeutend und vor allem sehr kritisch. Was doch immer ein Vorzug ist.“

     „Sehr warr, sehr warr,“ unterbrach hier Wrschowitz.

     „Er war sehr kritisch,“ wiederholte Woldemar. „Namentlich auch gegen seinen Bruder, den König. Und die Malcontenten, deren es auch damals schon die Hülle und Fülle gab, waren beständig um ihn herum. Und dabei kommt immer was heraus.“

     „Sehr warr, sehr warr…“

     „Denn zufriedene Hofleute sind allemal öd und langweilig, aber die Frondeurs, wenn die den Mund aufthun, da kann man was hören, da thut sich einem was auf.“

     „Gewiß,“ sagte Armgard. „Aber trotzdem, Herr von Stechlin, ich kann das Frondieren nicht leiden. Frondeur ist doch immer nur der gewohnheitsmäßig Unzufriedene, und wer immer unzufrieden ist, der taugt nichts. Immer Unzufriedene sind dünkelhaft und oft boshaft dazu, und während sie sich über andre lustig machen, lassen sie selber viel zu wünschen übrig.“

     „Sehr warr, sehr warr, gnädigste Comtesse,“ verbeugte sich Wrschowitz. „Aber, wollen verzeihn, Comtesse, wenn ich trotzdem bin für Frondeur. Frondeur ist Krittikk, und wo Guttes sein will, muß sein Krittikk. Deutsche Kunst viel Krittikk. Erst muß sein Kunst, gewiß, gewiß, aber gleich danach muß sein Krittikk. Krittikk ist wie große Revolution. Kopf ab aus Prinzipp. Kunst muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is Kopf ab.“

     Alles schwieg, so daß dem Grafen nichts übrig blieb, als etwas verspätet seine halbe Zustimmung auszudrücken. Armgard ihrerseits beeilte sich, auf Rheinsberg zurückzukommen, das ihr trotz des fatalen Zwischenfalls mit „Kopf ab“, im Vergleich zu vielleicht wiederkehrenden Musikgesprächen, immer noch als wenigstens ein Nothafen erschien.

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_168.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)