Seite:Der Stechlin (Fontane) 448.jpg

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Sees aus, an einer kleinen Station, die, glaub’ ich, Borghetto-Tuoro heißt. Es war auch für einen Laien über Erwarten interessant, und selbst ich, die ich sonst gar keinen Sinn für derlei Dinge habe, verstand alles, und fand mich leicht in jeglichem zurecht. Ja, ich hatte das Gefühl, daß ich in diesem hochgelegenen Engpaß ebenfalls über die Römer gesiegt haben würde. Der See hat viele Zu- und Abflüsse. Einer dieser Abflüsse (mehr Kanal als Fluß) nennt sich der ‚Emissarius‘, was mich sehr erheiterte. Noch interessanter aber erschien mir ein anderer Flußlauf, der, weil er am Schlachttage von Blut sich rötete, der ‚Sanguinetto‘ heißt. Das Diminutiv steigert hier ganz entschieden die Wirkung. Der See ist übrigens sehr groß, zehn Meilen Umfang, und dabei flach, weshalb der erste Napoleon ihn auspumpen lassen wollte. Da hätte sich dann ein neues Herzogtum gründen lassen…“

     „Schau, Schau,“ sagte der alte Dubslav, „wer der blassen Comtesse das zugetraut hätte! Ja, reisen und in den Krieg ziehen, da lernt man, da wird man anders.“

     Und er legte den Brief beiseite.

     Zugleich aber war ein stilles Behagen über ihn gekommen und er überdachte, wie manche Freude das Leben doch immer noch habe. Vor ihm, in den Parkbäumen, schlugen die Vögel, und ein Buchfink kam bis auf den Tisch und sah ihn an, ganz ohne Scheu. Das that ihm ungemein wohl. „Etwas ganz besonders Schönes im Leben ist doch das Vertrauen, und wenn’s auch bloß ein Piepvogel is, der’s einem entgegenbringt. Einige haben eine schwarze Milz und sagen: alles sei von Anfang an auf Mord und Totschlag gestellt. Ich kann es aber nicht finden.“

     Engelke kam, um abzuräumen. „Is ein schöner Tag heut,“ sagte Dubslav, „und die Krokusse kommen

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_448.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)