Seite:Der Stechlin (Fontane) 506.jpg

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sei Dank, Ausnahmen. Und das sind die eigentlich Berufenen. Eine Frau nehmen, ist alltäglich…“

     „Und keine Frau nehmen, ist ein Wagnis. Und die Nachrede der Leute hat man noch obenein.“

     „Diese Nachrede hat man immer. Es ist das erste, wogegen man gleichgültig werden muß. Nicht in Stolz, aber in Liebe.“

     „Das will ich gelten lassen. Aber die Liebe des natürlichen Menschen bezeigt sich am besten in der Familie.“

     „Ja, die des natürlichen Menschen…“

     „Was ja so klingt, Frau Gräfin, als ob Sie dem Unnatürlichen das Wort reden wollten.“

     „In gewissem Sinne ‚ja‘, Frau Domina. Was entscheidet, ist, ob man dabei nach oben oder nach unten rechnet.“

     „Das Leben rechnet nach unten.“

     „Oder nach oben; je nachdem.“

     Es klang alles ziemlich gereizt. Denn so leichtlebig und heiter Melusine war, einen Ton konnte sie nicht ertragen, den sittlicher Überheblichkeit. Und so war eine Gefahr da, sich die Schraubereien fortsetzen zu sehen. Aber die Meldung, daß die Wagen vorgefahren seien, machte dieser Gefahr ein Ende. Melusine brach ab und teilte nur noch in Kürze mit, daß sie vorhabe, morgen mit dem frühesten von Berlin aus einen Brief zu schreiben, der mutmaßlich gleichzeitig mit dem jungen Paar in Capri eintreffen werde. Adelheid war damit einverstanden, und Melusine nahm Baron Berchtesgadens Arm, während der alte Graf die Baronin führte.

     Das Verdeck des vor dem Portal haltenden Wagens war zurückgeschlagen, und alsbald hatten die Baronin und Melusine im Fond, die beiden Herren aber auf dem Rücksitz Platz genommen. So ging es eine schon

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_506.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)