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Er trat durch die offene Tür in das Kämmerlein und lehnte sich an das Fußende des schmalen eisernen Bettes. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht.

„Lieber Pagel, haben Sie den alten Gobelin eigentlich verkauft?“ fragte er gleichgültig und knipste sein Zigarettenetui auf.

Pagel schaute ihn scharf an.

„Weshalb fragen Sie danach, Herr Harst? Sind Sie auch versessen auf den alten bunten Lappen?“

Harald hob den Kopf.

Auch versessen?! Wollte Ihnen denn jemand das Ding abkaufen?!“

„Nein … Aber eintauschen wollte ihn der Ziegenvater gegen einen ganz guten Teppich, – der alte Schmierfink … Ich hab’ aber mit dem Kerl nicht gern was zu tun, und bei mir hat man kein Glück mit solchem faulen Handel … Was ich hab’, das hab’ ich …! Und keine Seele kriegt’s fertig, mir etwas von meinen mir liebgewordenen Sachen abzuschwatzen … Geld brauche ich nicht, meine Pension genügt mir, ein paar Sparpfennige habe ich auch, und so die Garderobe, – na, Herr Harst, da wissen Sie ja am besten, wo die gratis herkommt, wir haben so dieselbe Figur, und Ihre abgelegten Anzüge passen mir tadellos …“

Harald rieb ein Zündholz an. Seine Miene verriet eine gewisse Zerstreutheit. „Eine Seele hat’s doch fertig gekriegt, lieber Freund …“ meinte er achselzuckend.

„Was?!“ fuhr der Alte auf.

„Den Gobelin zu stehlen … Er ist weg, er hängt nicht mehr über dem Ripssofa.“

Pagel war mit einem Satz aus dem Bett, – wir hatten ihm nur die Schuhe und die Oberkleider ausgezogen.

Er eilte in sein Wohnstübchen. Er stand ganz sprachlos da und starrte auf den leeren Fleck an der Wand. –

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der alte Gobelin. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_alte_Gobelin.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)