Der alte Gobelin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Max Schraut
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der alte Gobelin
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Wikisource
Kurzbeschreibung: Eine Detektiv-/Kriminalerzählung.
Band 272 der Romanheftreihe Harald Harst: Aus meinem Leben.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[1]
Harald Harst: Aus meinem Leben


Der alte Gobelin


Erzählt von
Max Schraut


1. Kapitel.
Der Gobelin wird gestohlen.

Es war wohl ein Zufall, daß wir an jenem so unwahrscheinlich milden Dezembertage unseren Vormittagsspaziergang durch das weite Laubengelände unternahmen, das wie eine Oase, wie eine fremde Welt, sich zwischen den bebauten Straßen in glücklicher Weite hinzieht. Wie lange noch?! Der Moloch Bauwut wird auch diese Stätte des Friedens vielleicht sehr bald verschlingen. – Wir hatten hier eine ganze Menge Bekannte, einige davon erwähnte ich bereits, andere blühten noch als Veilchen für die Öffentlichkeit im Verborgenen, alles bescheidene, naturfreudige Leute, alle mäßig begütert, alle dankbar für ein freundliches Wort, für einen Rat in Gartenangelegenheiten. Einer der höflichsten, stillsten Einsiedler dieser heute seltenen Klasse von Menschen war der alte Pagel, Lokomotivführer außer Diensten, Witwer, Besitzer eines Laubenhäuschens mit zwei Stübchen, Stall, fünfzehn Obstbäumen, Flächengröße vierhundert Quadratmeter, – man ahnt nicht, was auf solche vierhundert Quadratmeter, 20:20 Meter, alles hinaufgeht.

Pagel war ein hagerer Mann, der Aufenthalt im [2] Freien, die Gartenarbeit und die mäßige Lebensweise bekamen dem Siebziger vortrefflich.

Wir sahen ihn zwischen den winterlich kahlen Bäumen und Büschen schon von weitem. Er hatte seine Erdbeerbeete liebevoll mit stark duftendem Kuhdünger versorgt, von dem eine mächtige Fuhre innen am weißen Zaune lag, – leider lag auch einiges draußen und störte die trübe, feuchtwarme Winterluft durch Ammoniakdünste.

Pagel schleppte gerade eine Forke voll des nützlichen Kuhstallauskehrs zu den Beeten. Er bückte sich, – ein tüchtiger Laubenkolonist schont seine Hände nicht, – er belegte die Pflanzen im Kreise mit dem fruchtbringenden Kuhprodukt, – wir waren noch zwanzig Schritt entfernt, plötzlich sank er vornüber, focht mit den Armen in der Luft herum, lag still …

Wir waren stehengeblieben.

„Armer Pagel,“ sagte ich mitleidig, „nun, ein Siebziger muß schließlich mit einem Herzschlag rechnen, und Gustav Pagel war ja stets so etwas bedrückt, als wüßte er, daß mit seinem Organismus irgend etwas nicht in Ordnung.“

Harst blickte mich merkwürdig an. „Komisch, daß du immer wenigstens zur Hälfte das Richtige triffst, mein Alter! Von deinem letzten Satz stimmt jedenfalls das eine: Es ist etwas nicht in Ordnung!“

Er schritt eilends weiter, er riß die Gartenpforte auf und kniete neben Freund Pagel nieder, der auf dem Gesicht lag und sich nicht regte.

Auch ich sah nun die blutige Furche über seinem linken Ohr, sie sah aus wie eine Hiebwunde von einem stumpfen Instrument und blutete stark. Er mußte sich im Fallen an der einen Zinke der Harke verletzt haben.

Harst hob ihn empor. „Schnell, laufe in seine Küche, mache warmes Wasser, – beeile dich … Er ist zum Glück nur bewußtlos.“

[3] Nach einer Viertelstunde hatten wir unseren Freund verbunden, zu Bett gebracht und erlebten die große Freude, daß er bereits wieder ganz munter und guter Dinge war.

„Ein Schwindelanfall …“ meinte er über diesen seinen Anfall mit stiller Ergebenheit in das Unabwendbare. „Man ist nicht mehr der Jüngste, – im Gegenteil, siebzig Jahre, da muß man schon an die große Reise denken, von der es keine Rückkehr gibt. Obwohl ich …“ – er machte eine unklare Handbewegung, und sein blasses Gesicht überlief es wie ein Grauen, er senkte den Kopf, und das weitere war nur ein verschwommenes Gemurmel, „… obwohl ich mehr Anwartschaft auf die Hölle habe!“ Dann besann er sich wohl, daß diese eigenartige Äußerung von uns gehört worden sein könnte, und fügte ganz laut hinzu: „Es war mir so, als ob ich urplötzlich einem Schlag gegen die Schläfe erhielte, – mehr weiß ich nicht … Mir war dabei vorher ganz wohl zumute, ich hatte noch eben einen Pflaumenschnaps getrunken, – eigentlich war das recht seltsam, wenn man sich’s recht überlegt … So richtig schwindelig wurde mir gar nicht, – na, diesmal bin ich noch mit einem blauen Auge davongekommen, und die Schramme am Schädel, die tut mir nichts … Ich darf ja auch nicht krank sein … Wer so allein dasteht wie ich – lieber Himmel … – und ein Krankenhaus, eher hänge ich mich auf, Tatsache!“

Harst war in das Wohnstübchen gegangen, – ich sagte etwas erstaunt: „Sie haben doch ein Kind, Herr Pagel … So allein sind Sie also nicht, und Sie sollten nicht derartige Redensarten gebrauchen – – von Aufhängen… und so, – das kann doch nur Augenblicksstimmung sein, Ihre Tochter ist doch so gut verheiratet …“

Sein hartes, bitteres Auflachen ließ mich verstummen.

„Mein Kind?!“ rief er, und sein Mund verzog sich gramvoll. „Ach, – Sie denken, weil Sie die Gnädige [4] einmal hier bei mir gesehen haben …! Ja – einmal!! Ein einziges Mal seit vielen Jahren ließ sie sich mal wieder dazu herab, dem … Lokomotivführer ein Futterpaket zu bringen, schnüffelte hier überall mit ihrer Lorgnette vor den Augen herum und fuhr dann wieder mit ihrem Auto davon … Der bin ich schon längst nicht fein genug, Herr Schraut … Frau Doktor und Fabrikdirektor, eigene Villa, – – lassen Sie mich mit dem Gerede von Kindern in Ruhe, ihnen eine gute Erziehung zu geben, sich die Groschen dazu abzusparen, – ja, dazu ist man ja Vater! Und nachher wird Väterchen gemieden – wie die Pest …! Na, vielleicht ist’s auch besser so … Ich gehöre in die Kreise nicht hinein, ich würde mich dort ja doch unbehaglich fühlen, – hier mein Häuschen, zehn Jahre hab’ ich’s nun, hier dies ist meine kleine Welt, und ich weiß, wenn ich mal so ganz einsam mich fühle, dann darf ich zu Ihnen kommen, – das ist immer so wunderschön, an Herrn Harsts Kamin zu sitzen und zu merken, daß man irgendwo doch ein gern gesehener Gast ist …“

Er drückte mir fest die Hand. „Und dafür danke ich Ihnen beiden … Für Sie gibt’s keine sogenannten sozialen Unterschiede, Sie finden für jeden den rechten Ton, und das ist nicht gekünstelt, das ist nicht Theatermache wie bei den anderen zumeist, die uns einfache Leute schmunzelnd einseifen und … ausnutzen … – Was tut nur Ihr Freund in meinem Vorderstübchen …?! Wahrhaftig, er kriecht auf dem fadenscheinigen Teppich umher … Ob er was verloren hat?!“

„Harald!“ rief ich … „Sammelst du tote Fliegen?!“

Pagel lachte leise. „Na – hören Sie mal, Herr Schraut, – ich fege doch aus!! Fliegen?! Jetzt im Dezember?!“

Harst rief munter zurück: „Ich treibe nur Körpergymnastik …! Kriechen soll gesund sein.“

[5] Er trat durch die offene Tür in das Kämmerlein und lehnte sich an das Fußende des schmalen eisernen Bettes. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht.

„Lieber Pagel, haben Sie den alten Gobelin eigentlich verkauft?“ fragte er gleichgültig und knipste sein Zigarettenetui auf.

Pagel schaute ihn scharf an.

„Weshalb fragen Sie danach, Herr Harst? Sind Sie auch versessen auf den alten bunten Lappen?“

Harald hob den Kopf.

Auch versessen?! Wollte Ihnen denn jemand das Ding abkaufen?!“

„Nein … Aber eintauschen wollte ihn der Ziegenvater gegen einen ganz guten Teppich, – der alte Schmierfink … Ich hab’ aber mit dem Kerl nicht gern was zu tun, und bei mir hat man kein Glück mit solchem faulen Handel … Was ich hab’, das hab’ ich …! Und keine Seele kriegt’s fertig, mir etwas von meinen mir liebgewordenen Sachen abzuschwatzen … Geld brauche ich nicht, meine Pension genügt mir, ein paar Sparpfennige habe ich auch, und so die Garderobe, – na, Herr Harst, da wissen Sie ja am besten, wo die gratis herkommt, wir haben so dieselbe Figur, und Ihre abgelegten Anzüge passen mir tadellos …“

Harald rieb ein Zündholz an. Seine Miene verriet eine gewisse Zerstreutheit. „Eine Seele hat’s doch fertig gekriegt, lieber Freund …“ meinte er achselzuckend.

„Was?!“ fuhr der Alte auf.

„Den Gobelin zu stehlen … Er ist weg, er hängt nicht mehr über dem Ripssofa.“

Pagel war mit einem Satz aus dem Bett, – wir hatten ihm nur die Schuhe und die Oberkleider ausgezogen.

Er eilte in sein Wohnstübchen. Er stand ganz sprachlos da und starrte auf den leeren Fleck an der Wand. – [6] Schwäche, Wunde, – alles war vergessen. Er stützte sich auf den Tisch vor dem Sofa, – er schüttelte wiederholt den Kopf, er zeigte auf die Flasche Pflaumenschnaps und das Likörglas auf dem Tische …

„Als ich mir den Rachenputzer vorhin leistete, war der Gobelin noch da!! Und jetzt …?!“

Er blickte Harald mißtrauisch an. „Haben Sie sich nur einen Scherz mit mir geleistet, Herr Harst?! Haben Sie ihn weggenommen?!“

Harst schob mich etwas beiseite … „Halte dich von dem Tische fern, mein Alter … Die Spuren auf dem Teppich sind ohnedies gering genug. Pagel hat Socken an. Das ist etwas anderes. Aber du …! An deinen Sohlen klebt der Schmutz der aufgeweichten Wege, und dieser lehmige Sand ist himmelweit verschieden von den Erdbrocken, die der Dieb zurückließ. – Nein, lieber Pagel, solche Scherze mache ich nicht. Hier gäbe es für mich wertvollere Dinge als Andenken zu borgen, zum Beispiel Ihre Reiseerinnerungen von Ihrer Marinezeit her. Sie sind in der Welt weit herumgekommen, für den echten Buddha auf dem Wandbrett würde ich gern einen Hunderter springen lassen, und was jenes altjapanische Schwert betrifft, – das ist unter Brüdern ein paar Tausender wert. Vielleicht war der Gobelin sogar noch wertvoller, – wer kann’s wissen … Nun legen Sie sich aber wieder ins Bett, mein Lieber. In Ihren Jahren sollte man eine derartige Verletzung nicht zu leicht nehmen …“

Gustav Pagel schnitt ein grimmiges Gesicht. „Was ich nicht leicht nehme, das ist dieser Diebstahl …!! Weiß der Henker, was mit dem bunten Fetzen los sein mag, irgend etwas stimmt daran nicht. Der Jaromir Zwancza ist nicht der erste, der so hintenherum mir das Ding abschwatzen wollte. Gestern war’s der Jaromir, vor drei Tagen ein feiner Herr, der mit mir erst am Gartenzaun [7] ein Gespräch anfing und dem ich dann schließlich mein Häuschen zeigte. Erst wollte er den Buddha haben, dann bot er fünfhundert für den Gobelin, – ein Ausländer war’s, schon faul, – rauskomplimentiert hab’ ich ihn. Und vor ‘ner Woche etwa versuchte eine junge Dame dasselbe Theater, – ein reizendes Mädel übrigens, – tat ganz harmlos und hatte es doch faustdick hinter den Ohren, – die hätte mich beinahe herumgekriegt, weil sie so liebe Augen machte. Das wär’ was für Sie gewesen, – Sie sind immer noch Junggeselle … schade! Und vor zwölf Tagen, das wissen Sie ja, war meine Tochter hier, und wenn ich mir deren Benehmen jetzt richtig überlege, wie sie so mit ihrer Lorgnette den Gobelin beschaute und ihn befühlte und immer wieder befühlte, – – die hat auch schon den Gobelinkoller gehabt, die Frau Doktor Anni Gehrs, geborene Lokomotivführer Pagel, – – glauben Sie, es ist so, – so ein bißchen helle sind wir doch auch, hol’s der Geier!! – Was soll die ganze Sache nun?! Da werd’ ein andrer draus klug! Kauf’ ich da vor Monaten von einem „Lumpen, Papier, Flaschen, Alteisen …“ – Sie kennen die Brüder ja, die so mit einem Handwagen herumziehen und auf den Höfen wie Berserker brüllen –, also so einer kommt hier durch die Kolonie, ich verkauf’ ihm alte Zeitungen, ich sehe auf dem Wagen den Gobelin liegen, ich denke mir, wenn du die zerrissenen Stellen wegschneidest, gibt’s doch noch ’nen Wandbehang, – drei Mark geb ich dem Bruder, – aus Charlottenburg war er, Kellergeschäft, hat ‘n Schild an seinem Karren gehabt … – aber das alles ist Ihnen nicht neu, Herr Harst, – nur daß dieser alte Lappen, den ich erst mal gründlich gewaschen, beschnitten, besäumt und schön glatt gespannt hatte und an dessen Figuren ich meine helle Freude gehabt hab’, – Sie meinten ja, es sei eine Szene aus einem Drama von Shakespeare, – – daß dieses Stück Stoff, zwei [8] Meter lang, anderthalb Meter breit, mal in meinem Leben so viel bedeuten würde, – nein, das ahnte ich nie!“

„Gehen Sie zu Bett, lieber Pagel,“ sagte Harald nochmals mit einem sanften Gähnen. Ihn schien das Gerede des aufgebrachten Alten zu langweilen. „Der Gobelin, das erklärte ich Ihnen bereits, war kein Fabrikstück, sondern alte Handarbeit, wahrscheinlich englischer Herkunft.“

Gustav Pagel hatte seinen Kopf für sich. Ob die Entfremdung zwischen ihm und seiner Tochter allein deren Schuld war, bezweifelte ich längst. Frau Doktor Gehrs hatte auf mich eigentlich einen recht günstigen Eindruck gemacht, als wir sie damals flüchtig kennen lernten.

„Hinlegen?!“ Der alte Mann lachte derb. „Einen Schnaps werde ich trinken, und dann ist die Sache in Ordnung. Darf ich Sie beide einladen – der Schnaps ist gut, wenn auch etwas kräftig.“

Er verschwand in seiner Schlafkammer, kehrte angezogen zurück, – – Harst hielt ihn von dem Tische fern. „Nicht zu nah heran mit Ihren Holzpantinen, Pagel! Ich sagte schon, der Teppich zeigt Spuren des Diebes. Ich möchte den Dingen doch auf den Grund gehen.“ Aber auch das sprach er eigentümlich müde und abgespannt, – für andere klang es so, für mich klang’s sehr geistesabwesend, – hier waren die Worte und Sätze nur wieder die nicht passende Begleitung zu ganz anderen Gedanken.

Pagel holte die Gläschen aus dem Schranke und murmelte etwas von: „Unnötige Mühe – alter Lappen, Geheimniskrämerei …“

Er füllte die Gläschen, indem er von der Seite an den Tisch herantrat. Harst starrte auf die gewürfelte billige Tischdecke. Dort, wo die Flasche gestanden hatte, zeichnete [9] sich ein schwacher heller Fleck ab: Staub, weißer Staub, leicht verwischt nach der Tischkante zu.

„Gießen Sie den Schnaps weg, Pagel,“ meinte Harst energischer. „Lassen Sie nur das eine Gläschen gefüllt und holen Sie mir ein Fläschchen. Ich möchte das Zeug mitnehmen und prüfen.“ Er faßte in die Tasche, klappte dann die große Klinge seines Messers auf und tauchte den blanken Stahl in eins der Gläschen. Als er ihn wieder herauszog, war das Metall schwarz.

Pagel bekam große Augen.

„Was … bedeutet das?!“

„Gift …! – Der Dieb hatte ein Pulver mit … Er hatte es eilig … Er verschüttete etwas von dem Pulver, säuberte die Flasche, stäubte mit dem Taschentuch auch die Tischdecke ab – nicht genügend …“

Pagels kleiner weißgrauer Schnurrbart sträubte sich vor Wut. „Na – so ein Schuft!!“ platzte er heraus.

Harald blickte ihn still an. „Es wird Ihnen wohl bereits klar geworden sein, daß Ihr Schwindelanfall eine sehr einfache Ursache hatte, nämlich eine Kugel, lieber Pagel. Man wollte Sie erschießen. Da auch wir keinen Schuß hörten, kann es sich nur um eine jener niederträchtigen Waffen handeln, mit denen belgische Fabriken neuerdings den Markt überschwemmen. Die Büchsen nennen sich harmlos „geräuschlose Sportflinten“ und arbeiten mit Preßluft. Man legt damit auf achtzig Schritt glatt einen Menschen um, wenn man trifft. Auch uns flatterte solch’ eine Reklame ins Haus. – Trotzdem brauchen Sie sich nicht zu beunruhigen, alter Freund. – Was haben Sie mit den abgeschnittenen Stücken des zerfaserten Gobelins getan?“

„Meinen Kaninchenstall habe ich damit abgedichtet,“ erwiderte Pagel sichtlich verwirrt.

„Das ist gut. Sagen Sie das keinem Menschen, Pagel, verstanden! Und überlassen Sie das weitere uns [10] beiden. Reden Sie nicht zu viel. Schweigen ist Gold, – hier ist Schweigen für Sie Lebensversicherung: Es war ein Schwindelanfall! – Nun möchte ich mit Herrn Jaromir Zwancza mich etwas anfreunden. Aber – das Fläschchen … und klopfen Sie die Tischdecke und den Teppich aus – – abends, Pagel. Bis dahin betreten Sie den Teppich nicht. Wir kommen wieder.“

Es war ein sehr nachdenklicher Pagel, der in seinem Laubenhäuschen zurückblieb.




2. Kapitel.
Die Gobelin-Anwärter.

Zeitungslöwen, die sich mit der von Conan Doyle erfundenen Figur des Sherlock Holmes eingehender beschäftigt haben, vermuten, daß Sir Doyle diese vor dreißig Jahren etwa modernen Detektivromane nicht erfunden, sondern dazu als Muster den berühmtesten Detektiv Londons Frank Castle Froest gewählt hat.

Genau wie ich hier stets tatsächlich existierende Personen und Örtlichkeiten schildere (Abweichungen in bezug auf Namen und Kleinigkeiten muß ich schon aus Gründen der Diskretion mir zur Pflicht machen), – genau so ist Frank Froest die berühmteste Persönlichkeit des Londoner Polizeihauptquartiers gewesen.[* 1] In seiner Glanzzeit um das Jahr 1890 nannte man ihn häufig den wahren Sherlock Holmes. Wir lernten ihn erst kennen, als er im [11] Ruhestande in seiner idyllischen Villa ganz seinen privaten Neigungen sich hingab. Im Jahre 1922 trafen wir mit ihm aus Anlaß des Falles Warbatth zusammen. Er war ein unscheinbarer, kleiner, breitschulteriger Mann mit borstigem Schnurrbart und ebenso borstigem, kurzgeschnittenem Kopfhaar, hatte ein rundliches, frisches, vergnügtes Gesicht und glich durchaus einem wohlhabenden Rentner und Kaufmann a. D., – nichts erinnerte an seinen Beruf, seine glänzende Laufbahn und – nicht zu vergessen – seine ungeheuren Körperkräfte. Er war Amateurboxer, dessen Faust besser wirkte als ein Gummiknüttel. Damals klagte er uns, daß noch immer Privatpersonen ihn in Anspruch zu nehmen suchten. Er lehnte jedoch selbst die verlockendsten Honorarangebote ab. Auch Warbatth interessierte ihn nicht. Trotzdem wechselten wir gelegentlich Briefe, blieben also immerhin in lockerer Verbindung. –

Als wir nun nach den vielversprechenden Vorfällen bei Gustav Pagel den Weg betraten und die wenigen Schritte bis zur Laube des Ziegenvaters schweigend zurücklegten (zwischen Pagels und Jaromir Zwanczas Besitz lag nur ein schmales verwahrlostes Laubengrundstück), lehnte an einer Pumpe, die längst nicht mehr benutzt wurde, ein einfach gekleideter alter Mann mit grauem Schifferbart und dunkler Hornbrille und schob gerade in eine photographische Kamera einen neuen Filmstreifen ein. Der Mann blickte nur flüchtig auf und summte behaglich irgendeinen Fox vor sich hin. Ich sagte schon, daß dieser Wintertag etwa in den Monat September hineinpaßte. Das leichte Gewölk hatte sich zerteilt, die Sonne schien, und die Pelzhändler beteten sicherlich zu Jehovah, dieser unnatürlichen Witterung ein Ende zu machen.

Jaromir Zwanczas Anwesen war der Schandfleck der Kolonie. Sein Häuschen aus rohen, ungestrichenen Brettern hatte ringsum noch schandbarere Anbauten, richtige [12] Buden, mit Schilf gedeckt, mit Stroh und Heu und Pappe „angewärmt“, – der Garten war nur Hofraum für allerhand elenden Kram, ein riesiger Schäferhund bewachte Jaromirs Ziegen, und der Duft seiner Ziegenkäsefabrik drang bis auf den Weg – nebst anderen Düften.

Wir läuteten an der Zugglocke. Von Ansehen kannten wir diesen Menschenfeind längst. Nach dem Kriege war er irgendwo aus Galizien hier aufgetaucht. Man sagte, er sei russischer Spion gewesen und sei reich. Aber all das waren Gerüchte.

Der Hund bellte uns wütend an, Jaromir in seinem Hauskostüm schlurfte auf hohen Schmierstiefeln herbei, und die Sonne verbarg sich schleunigst.

Wenn man Zwancza mit einem kahlen Papagei vergleicht, so stimmt das. Er hatte eine blaurote ungeheure Hakennase, das übrige bartlose Gesicht waren nur Falten, – Augen, Mund, Kinn, fliehende Stirn und schwarze vereinzelte Haare auf dem Spitzschädel, eine ins Gelbliche schimmernde Hautfarbe, Bartstoppeln, eingesunkene Schläfen, trüber Blick, schlenkrige Bewegungen einer gebeugten, verhungerten Gestalt, schmierige Hände, Schlafrock, kein Kragen, Giraffenhals, – Original von bedenklicher Art.

„Was wollen Sie?!“ – Grob, rauh, – leicht gebrochen die Aussprache, finsteres Anstarren …

Harst musterte ihn lange, betrachtete die Stiefel, den zerlumpten Schlafrock …

„Haben Sie Zellensehnsucht, Herr Zwancza?“ fragte er und hatte nun den einen Ärmel als Ruhepunkt für seine Augen gewählt.

„Gehen Sie weg!“ sagte der Ziegenvater bissig. „Bei mir[1] gibt’s nichts zum Schnüffeln.“

„Irrtum. Sie werden uns einlassen, oder Sie sitzen noch heute in einer Zelle, Herr Zwancza.“ Er hob den Blick und schaute den dreckigen Kerl fest an. „Ich würde Ihnen den Ankauf einer Bürste empfehlen. Ihr Ärmel [13] zeigt weißen Staub … ein weißes Pulver, jedenfalls kein Puderzucker, Herr Zwancza. Wenn Sie den Ärmel abstäuben und das Pulver unter das Ziegenfutter mengen, dürften die armen Tiere mindestens für Tage bettlägerig werden.“

Jaromirs trüber Blick wurde stechend. „Was heißt das, Herr Harst?!“ meinte er sichtlich betroffen.

„Gift,“ sagte Harst leise. „Ein böses Gift, Herr Zwancza … Zuchthaus heißt die Vergeltung. Wir wollen die Vorrede kürzer gestalten. Lassen Sie uns ein, oder Schraut holt die Polizei, und ich halte Sie hier an der Pforte fest. Es geht hier nicht um Kindereien. Meine kleine Clement schießt noch immer tadellos.“

Das ungesunde Gelb des Papageienkopfes wurde zu grauweißer Blässe. „Was – – ist geschehen?“ flüsterte der Kerl heiser. „Ich bin unschuldig …!“

„Das sind nicht einmal neugeborene Kinder, denn sie erben die Fehler der Eltern und tragen die Schuld im Blute, Herr Zwancza. Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine. Los doch!“

Jaromir fletschte die Zahnstummel. „Das – das ist Bedrohung, Herr Harst, und ich …“

Er zuckte trotzdem hilflos-verlegen die Achseln und packte den Köter, den er dann unter Haralds Aufsicht in einen der Ställe einsperrte.

Zwanczas einzige Stube zu betreten und dort zu verweilen, war an sich schon ein Opfer auf dem Altar des Wahrheitsuchens. – Gerümpel, nichts als Gerümpel, Schmutz, Gestank, dazu eine zahme Dohle, die dauernd kreischte …

„Klopfen Sie den Ärmel auf die Zeitung ab,“ befahl Harald. Jaromir sagte: „Meinetwegen … Wenn die Dinge so liegen, werde ich mit nichts hinter dem Berge halten. Ich bin das Opfer meiner Vertrauensseligkeit, [14] die stets dann beginnt, wenn ich Bargeld sehe. Der Herr hat mich grob getäuscht.“

Er stäubte das Pulver durch Klopfen auf die Zeitung, und Harst faltete das Blatt dann sorgfältig zusammen und steckte es zu sich. – Zwancza drückte sich jetzt durchaus wie ein gebildeter Mann aus, und als er uns Platz zu nehmen bat, geschah es mit einer Höflichkeit, die mich stutzig machte.

„Es war heute wieder derselbe Ausländer bei mir, der bereits dreimal größere Mengen Ziegenkäse kaufte,“ begann er und schob uns eine Zigarrenkiste hin, die keine Stinkadores enthielt. „Bedienen Sie sich bitte … Machen Sie mir die Freude, hier etwas zu genießen … Auch dieser Rotwein ist kein Blaubeersaft – – und ohne „Pulver“ …“ Zwancza lächelte traurig. „Man hängt an alten Gewohnheiten, man stellt sich sehr schwer um, obwohl ich doch fünf Jahre dazu Zeit hatte. Vor fünf Jahren ging nachts mein Schloß in Flammen auf, meine Frau und meine beiden Töchter fielen bei der Verteidigung, – ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, wer die Angreifer waren, meine Güter lagen in der schlimmsten Wetterecke Galiziens, und die sogenannten Insurgenten hatten Maschinengewehre und leichte Geschütze, – es waren blutige Monate für die, die es mit Österreich hielten …“ Er machte eine kleine Pause. Sein Blick war leer, sein Kopf hing schief, seine Brust arbeitete … „Ich bin Graf Jaromir Josef Rudolf Zwancza, ehemals Kammerherr, Oberst, Magnat, – – jetzt Ziegenkäsefabrikant und … verkommen. Wer sein Weib und seine Kinder im eigenen brennenden Schloß zu Asche zerfallen sieht, wer mit Kolbenstößen vor ein frisch geschaufeltes Erdloch getrieben wird und wer sein Leben nur dem lächerlichen Zufall verdankt, daß die Schufte sämtlich betrunken waren, – meine Herren, das zertrümmert alles in uns, das hinterläßt nicht einmal Schmerz oder Haß, [15] man stirbt innerlich ab … Ich bin ein lebender Leichnam … Es sollte so sein.“ Er füllte wunderbar geschliffene Römer, er trank tief in Gedanken versunken…

„Heute,“ fuhr er fort, „war der angebliche Mr. Gorry Banks wieder bei mir. Wir unterhielten uns, ich hegte ein unbestimmtes Mißtrauen gegen ihn, aber er kaufte abermals meinen gesamten Vorrat, er zahlte mir das Geld hin, und ich bin eben ein Narr geworden, ein Geizhals. Er bot mir eine Zigarette an, ich hätte sie nicht rauchen sollen. Er rauchte selbst, und nachher hatte er sogar die Stummel und die Asche entfernt, als ich wieder zu mir kam. Ich erwachte erst über Ihrem energischen Läuten, Herr Harst. Ich bin noch jetzt völlig benommen. Das Geld hatte der Schurke liegen lassen, er muß mir Stiefel und Schlafrock ausgezogen haben, ich fand mich ohne diese Kleidungsstücke hier in diesem alten Sessel … Die Sachen lagen auf dem Fußboden.“

„Ich zweifele keineswegs an Ihren Angaben,“ meinte Harald und kostete den Wein. „Ihr Wohl, Herr Graf. Der Teppich bei Ihrem Nachbar Pagel sollte nach Ziegenstall duften, Sie sollten in Verdacht geraten, – es stimmt schon alles. Nun aber erzählen Sie uns von dem Gobelin.“

Zwancza fragte: „Gobelin?!“ Sein Erstaunen war übertrieben.

Dann nickte er: „Ach so – der Gobelin …! Dieser Gorry Banks versprach mir einen Vermittlerlohn, wenn es mir gelänge, Pagel zum Verkauf des Gobelins zu bewegen. Ich besuchte Pagel gestern, wir meiden uns sonst, ich bin hier überhaupt nicht sehr beliebt, für die Leute hier bin ich der ewige Stein des Anstoßes, wohl mit Recht. Ich bin zum Zigeuner herabgesunken, meine Vorfahren sollen Zigeuner gewesen sein, das ist sehr, sehr lange her, meine Väter heirateten meist blonde Wienerinnen, meine Frau war …“ er schwieg, als ob das Thema die Wunden in seinem Innern aufs neue brennen ließ. „… also des Engländers Geld [16] lockte, ich ging zu Pagel, dabei sah ich den Gobelin, ein echtes, altes Stück, wie ich auf den ersten Blick erkannte, – ich sprach über den Gobelin, Pagel war sehr unliebenswürdig, und nachher teilte ich Banks die Erfolglosigkeit meiner Bemühungen mit. Das wäre alles, Herr Harst. – Nun aber sind Sie an der Reihe. Was ist geschehen? Auf meine Verschwiegenheit und meine Mitarbeit können Sie sich verlassen. Damit Sie mich jedoch nicht falsch beurteilen: In meiner toten Seele lebt eine einzige Sehnsucht, die, so viel zu sparen, daß ich in der Nähe meines Stammgutes Zwanczawo mir ein Häuschen kaufen und die Gräber meiner Lieben pflegen könnte.“

Harst berichtete alles. Er erwähnte vieles, was ich noch nicht wußte, nur ahnte. Die Sachlage war ja klar: Der Gobelin mußte irgendeinen besonderen Wert haben, nicht nur als wahrscheinlich altenglisches Stück. Nein: Sowohl Frau Doktor Anni Gehrs, Pagels Tochter, als auch Gorry Banks, das junge hübsche Mädchen und noch ein Fremder mußten dieses Geheimnis kennen. – Banks hatte heute einen Gewaltstreich versucht. Nach vorher genau überlegtem Plane hatte er gearbeitet.

Graf Zwancza nickte verschiedentlich zustimmend. Harsts Bericht schloß mit einer Frage: „Hatte Banks Golfstöcke im Futteral bei sich?“

„Ja. Er kam gerade vom Golfspiel, behauptete er.“

„Es ist der übliche Trick, eine Waffe von größerer Länge zu verbergen,“ meinte Harst leicht geringschätzig. „Wo wohnte Banks angeblich?“

„Sie werden erstaunt sein,“ erwiderte der alte Mann mit bissiger Ironie. „Banks wohnt hier in allernächster Nähe. Es gibt in Altschmargendorf noch Häuschen, die einst zu Bauerngütern gehörten. Die neuen Gebäude haben diese Häuschen fast erdrückt, aber sie sind tapfer und bewahren ihre stille Romantik. Kennen Sie das [17] einstige Bildhaueratelier im Hofe dicht neben der Berkaer Straße am Kolberger Platz? Das Atelier wurde Hühnerstall. Im Hofe stehen noch allerlei Gipsabgüsse umher. Banks, der hier Vertreter einer englischen Autofirma sein will, hat die Bude gemietet und es sich dort ganz behaglich gemacht. Ich war einmal bei ihm und brachte ihm Käse. Man muß durch die Pforte des alten Bretterzauns in den Hof, und dann gelangt man in das Atelier. Sehr glanzvoll wirkt die Behausung nicht. Aber er soll noch einige Geschäftsräume in der Stadt haben.“

Harst blickte den Ziegenvater sinnend an. „Lieber Graf, diese Ihre Angaben beunruhigen mich. War es wirklich Banks, der heute hier bei Ihnen war?! Wem gaben Sie damals das Käsepaket ab?“

„Banks Schwester Heloise, glaube ich.“

„Blond?“

„Ja.“

Harst brauchte nicht weiter zu fragen. Es hatte geklopft, – eine junge Dame trat ein, sehr schick, sehr unauffällig-elegant, und Jaromir Zwancza rief: „Das ist Miß Heloise Banks.“

Heloise war in schrecklicher Verfassung. Sie taumelte in die Stube, fiel auf einen Schemel und starrte uns verstört an. „Herr Pagel schickt mich …“ Sie war ganz außer Atem. „Herr Pagel sagte mir, Sie beide wären hierher gegangen … Der Gobelin ist … weg, gestohlen …“ – Ihr Deutsch verriet die Engländerin, auch ihre großen Oberzähne waren durchaus britisch. „Ich bin Heloise Saalfield, die Tochter Lord Saalfields. In meiner Wohnung … liegt … ein Toter …“

Ihr Gesicht verzerrte sich vor Grauen.

„Wo wohnen Sie?“ fragte Harst gespannt.

„In dem Atelier am Kolberger Platz auf dem Hofe. Ich bin Schülerin Professor Huber’s, des Porträtmalers. [18] Wir sind sehr arm, wir Saalfields, und ich mußte ein billiges Heim wählen.“

„Das ist alles sehr merkwürdig,“ meinte Harald, leicht den Kopf schüttelnd. „Kennen Sie einen Mr. Gorry Banks?“

„Ich höre den Namen zum ersten Male, Herr Harst.“

Gleich darauf eilten wir durch die Kolonie dem Kolberger Platz zu.




3. Kapitel.
Der echte Sherlock Holmes.

Vielleicht würde die Abneigung gegen sogenannte Kriminalromane von seiten sogenannter rein literarischer Intellektueller nicht so stark sein, wenn die Verfasser erfundener „Probleme“ (mir will das Wort nie recht in die Feder) nicht so eifrig bemüht wären, ihren Lesern die „Enthüllung“, also den Weg aus dem Irrgarten von Vorfällen, so sehr zu erleichtern und Sensation auf Sensation zu häufen.

Wie stand es nun mit dieser jungen vornehmen Engländerin Heloise Saalfield? Sie war ein graziöses, ruhiges Geschöpf mit freiem Blick, mit ein wenig verträumten Zügen. Sie ging zwischen uns und bedankte sich schlicht, daß wir es ihr nicht länger zugemutet hatten, in Zwanczas Räuberhöhle zu verweilen. „Ich wäre in dem Geruch ohnmächtig geworden …“ – Hätte sie geahnt, daß dieser Enterbte des Schicksals ein Graf, ein Kammerherr, einst ein Besitzer von Millionen gewesen, sie würde es kaum geglaubt haben. Sie sprach nicht viel, aber sie erweckte auch nicht den Eindruck, daß sie jedes Wort etwa abwäge. Sie war lediglich „Dame“, dabei von jener sicheren Zwanglosigkeit, die das Erbteil alten Blutes ist. Was sie so beiläufig erwähnte, [19] war nicht gerade erschöpfend. Als Harst vorsichtig antippte, daß sie doch Zwanczas Nachbar Gustav Pagel kenne und besucht habe, gab sie dies ohne weiteres zu. „Wir kamen miteinander ins Gespräch, er zeigte mir dann sein Häuschen, manches seiner Reiseandenken kann eine angehende Künstlerin wohl locken … Plötzlich wurde der alte Herr dann sehr zugeknöpft … Weswegen, weiß ich nicht …“

„Hm – Sie scheinen den Gobelin zu vergessen,“ warf Harald ein. „Vorhin waren Sie über das Verschwinden des Gobelins mindestens ebenso entsetzt wie über den Toten in Ihrer Wohnung. Weshalb eilten Sie überhaupt zu Pagel anstatt zur Polizei?!“

Sie blieb stehen. Wir hatten gerade den Schwarzen Weg erreicht, jene unglaublich verwahrloste Straße zwischen dem Laubengelände und den Kohlen- und Bauplätzen. Sie blickte Harst verwundert an. „Ich war ja bei der Polizei, Herr Harst … Die Polizei ist noch im Atelier. Man hat mich vernommen, zum Glück kam ich ja nicht allein nach Hause, als ich den Toten entdeckte. Professor Huber begleitete mich, und nachher bin ich aus einem sehr einfachen Grunde zu Herrn Pagel gelaufen: In des Toten Tasche steckte ein Zettel, eine quittierte Rechnung über Ziegenkäse, und auf der Rückseite war Pagels Adresse notiert. Der Kriminalkommissar zeigte mir den Zettel, ich erbot mich, Pagel zu holen, ich wollte an die Luft, ich war einer Ohnmacht nahe, – bedenken Sie doch die Aufregungen für mich! – Als ich zu Pagel kam, wurde er grob, ihn ginge die Sache gar nichts an … Ich sah, daß der alte Gobelin fehlte, es war bestimmt ein englisches Stück, Pagel meinte, ich solle nur den Ziegenvater aufsuchen … Das ist alles …“

„Und es ist alles sehr unklar.“ meinte Harst ehrlich.[2] [20] „Kommen Sie weiter, Miß Saalfield. Ist in Ihrer Wohnung einmal ein Paket Käse abgegeben worden?“

Sie mußte lächeln. „Ich kaufe Käse nur in geringen Mengen …“

„Sind Sie tagsüber viel abwesend?“

„Vormittags stets. Es ist ein Zufall, daß ich heute nach Hause kam. Professor Huber wünschte längst einmal mein Atelier zu sehen.“

Harst ging schneller.

„Nannte der Kommissar seinen Namen?“

„Natürlich … Es war ein Herr von einer Reservemordkommission … Ich glaube er hieß … er hieß Doktor Stücke, Mücke oder so ähnlich, jedenfalls ein Gentleman mit Monokel, wie aus dem Modenblatt geschnitten.“

„Also … Lücke, Doktor Hans Lücke. – Liegt denn Mord vor?“

„Ja, – das ist’s ja eben, Herr Harst. Sie werden ja alles sehen und hören. Anscheinend kennen Sie Doktor Lücke …“

„Ob wir ihn kennen!! – Wie starb der Mann?“

„Er ist erstochen worden … Ich fand ihn in dem Raume neben dem Atelier, den ich mir durch eine Holzwand habe abteilen lassen, im Blute schwimmend vor. Professor Huber besichtigte meine Porträtskizzen, ich ging in das Nebengemach, mein Bett steht hinter einem Vorhang, ich wollte mir ein sauberes Taschentuch holen … – Verzeihen Sie, ich rede wohl sehr ungereimt, aber ich bin geradezu wie vor den Kopf geschlagen, – stellen Sie sich mein Entsetzen vor: Ein Fremder liegt neben dem Korbsessel am Fenster, – zuerst hatte ich ja gar nicht hingeschaut …“

Sie hielt wacker mit uns Schritt. Wir überquerten den Kolberger Platz, – drüben die Zaunpforte wurde von einem Beamten in Uniform bewacht, Neugierige [21] drängten sich im Halbkreis zusammen, der Wachtmeister ließ uns passieren, dann standen wir in dem armseligen Atelier … – Wer die Glasbude von Ansehen kennt, wird mir recht geben: Eine Bude! Innen auch nur Verfall, Verwüstung, notwendig maskiert durch Möbelstücke, drei Staffeleien, ein mächtiger Kachelofen, der vor Hitze fauchte, links die frisch tapezierte Bretterwand mit einer schmalen Tür. Sie stand offen, wir hörten Stimmen, – aber auch im Atelier befand sich jemand, es war der Mann mit der Handkamera, der im Laubengelände an der Pumpe gelehnt hatte … Er saß in einem altmodischen Ohrensessel, hatte seine schwarze kleine Kamera im Schoße und betrachtete uns mit der stillen Fröhlichkeit eines Menschen, den die Nähe eines Ermordeten sehr gleichgültig läßt und der seine Freude an unerwarteten Begegnungen hat. Er erhob sich halb, deutete eine Verbeugung an …

„Oberinspektor Froest,“ sagte er mit einem verschmitzten Zucken um die bärtigen Mundwinkel. „Froest aus Weston, eigentlich Privatier, noch immer Gelegenheitsarbeiter, Herr Harst, noch immer leidlich bekannt. Der Kollege Lücke hatte nichts dagegen, daß ich hier eintrat, als ich die Menschenansammlung vor dem Hause bemerkte und etwas von Mord vernahm … – Miß Saalfield, nicht wahr?“ Er reichte uns die Hand, deutete nochmals vor Heloise eine Verbeugung an und ließ sich wieder in den Sessel fallen. „Ein kleiner Mord, aber mit Beiwerk …“ Er deutete mit dem Daumen nach dem abgeteilten Raum. „Ich habe Lücke wenigstens die genauen Personalien des Toten liefern können, – ein alter Freund von mir, war mit fünfzehn schon zuchthausreif, mit achtzehn überreif für den Strang, eine schwere Nummer, aber immer glatt wie Schmierseife, nie zu fassen, abgerechnet drei Jahre wegen Diebstahl, hier nannte er sich wohl Gorry Banks, er hatte ebenso [22] viele Namen wie bunte Westen, jetzt ist seine Weste durchlöchert und verdorben – armer Teufel, ein Kerl wie er verdiente den gesetzlichen Tod, – – wie kommen Sie beide hierher, Harst?“

Harald erwiderte mit größter Höflichkeit: „Ich glaube, ich hätte Sie mehr zu fragen als Sie mich, Mr. Froest. Was haben Sie photographiert?“

Froest entgegnete ausweichend: „Ein Stilleben und einen Gentleman ohne Golfstöcke. Das wird Sie kaum interessieren. Bei der Nachlaßversteigerung wird man die Golfstöcke berücksichtigen müssen. – Spielen Sie auch Golf, Miß Saalfield, oder haben Sie sich ganz der modernen Kunst gewidmet, Menschen recht ähnlich wiederzugeben? Das ist schwer, sehr schwer, sage ich Ihnen. Der beste Maler, den ich kannte, war der Frauenmörder Crippen, der tatsächlich jeden Tag anders aussah. Ich sah immer gleich aus, und schließlich flüchtete Crippen mit dem Dampfer „Montrose“ nach Kanada. Leider war’s zu einer Zeit, als Marconi die Funkerei bereits so weit gefördert hatte, daß die Montrose als eins der ersten Schiffe einen Empfänger an Bord hatte. Ich funkte dem Dampfer das Nötige, und Crippen wurde bei der Landung verhaftet und zurückgebracht und gehenkt.[WS 1] Seine Geliebte, Miß Le Neve, eine unschuldsvolle Taube, entging demselben Schicksal lediglich durch die Kunst der Anwälte. Ich war sehr unzufrieden damit. Nun, vielleicht gibt es heute nicht mehr so tüchtige Verteidiger und so rücksichtslose Detektivoberinspektoren, wie ich einer war.“

Heloise Saalfield rief leise: „Erzählen Sie doch nicht so gräßliche Dinge!! – Hat Doktor Lücke etwas entdeckt? Was wollte der Mann hier? Wie ist er eingedrungen?“ –

– Ich habe stets meine Freude daran, Haralds Art einer besonderen Unterhaltung zu bewundern. Im Vergleich zu Frank Castle Froest erschien mir Harst [23] ein Anfänger in der Kunst zu sein, Gedankensprünge zu machen, deren Lücken die Hauptsache waren. Ich schaute Heloise jetzt mit ganz anderen Augen an. Ihre Blässe mußte auffallen, ihre kühle Sicherheit gefror vor Froests noch kühlerer Energie zu starrer, schlecht verhehlter Angst, und ihr Versuch, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, mißglückte kläglich. Froest sagte in demselben Tonfall: „Ein Türschloß ist für Banks nur Zierat, Miß Saalfield. Und entdeckt haben wir eine ganze Menge Kleinigkeiten, die äußerst peinlich sind – für Sie nämlich.“ Er machte eine Pause und sah Heloise drohend an. „Sie haben Banks erstochen, nur Sie, – Sie nahmen den Professor absichtlich mit, er sollte Zeuge spielen, er sollte bekunden, daß Sie den Mann unmöglich erstochen haben könnten. Banks wartete auf Sie dort drinnen, Huber schaute sich Ihre Zeichnungen an, Sie traten ein, stießen zu – und der Plan schien geglückt zu sein.“

Heloise Saalfield schoß das Blut vor Empörung in die Wangen. „Sie sind … ein Narr!“ sagte sie verächtlich. „Beweisen Sie die Richtigkeit dieser albernen Vermutung. Sie mögen einst ein bedeutender Detektiv gewesen sein, jetzt sind Sie nur noch ein gefährliches Wrack, an dem sich gesunde Schiffe den Bug einrennen. So ist’s.“ Sie flatterte vor Erregung, und eine – so impulsive Auflehnung gegen eine schwere Verdächtigung läßt sich kaum vortäuschen. Sie stand vor Froest mit halb erhobenen Armen, die Hände geballt, nicht mehr Dame von Welt, nur noch ein Weib, das sich mit aller Macht zur Wehr setzt.

Oberinspektor Froest streichelte seine Momentkamera und meinte hart: „Sie haben Doktor Lücke erklärt, Sie kennen Banks nicht. Das ist … gelogen. Sie kennen ihn sehr gut. Ich habe Sie beide dreimal mit dieser Kamera erwischt. Die photographische Platte redet unbedingt die Wahrheit.“

[24] Doktor Hans Lücke stand schon eine ganze Weile in der schmalen Tür als stummer, aufmerksamer Zuhörer. Er hatte mir nur verstohlen zugenickt. Ich stand mit dem Gesicht nach der Tür hin.

Heloise Saalfield war diesem neuen Angriff nicht gewachsen. Sie hatte mit derartigen Beweisen nicht gerechnet. Ihre Hände sanken herab, ihre Gestalt wurde hilflos und schlaff, langsam wich die Röte aus ihrem Antlitz, und dieselbe Blässe wie vorhin bei Froests dunklen Andeutungen ließ ihre zarte Haut erschreckend farblos werden. Sie tastete sich bis zu einem Stuhl, setzte sich und blickte mit versteinertem Ausdruck vor sich hin. Ihre Lippen formten unhörbare Worte, – ganz allmählich nur trat ein anderer Zug in ihr wächsernes Gesicht, es war, als ob sie angestrengt über etwas nachdächte. Dann sagte sie leise: „Wissen Sie auch etwas über den Gobelin, Mr. Froest? – Wenn Sie etwas wissen, sprechen Sie bitte, und … verzeihen Sie mir die ungehörige Bemerkung über Ihre Person. Ich falle nicht leicht aus der Rolle, aber Ihr Angriff überraschte mich vollkommen. Ich gebe zu, – man kann Verdacht gegen mich hegen, die Umstände sind mir sehr ungünstig, und ich habe gelogen, – es ist richtig, Banks ist mir nicht fremd. Getötet habe ich ihn nicht, Gott sei mein Zeuge! Ich hatte sogar allen Grund, sein Leben zu beschützen. Nur der lebende Banks konnte mir helfen, – das … das hängt mit dem Gobelin zusammen, meine Herren …“ Sie hatte nun auch Lücke bemerkt. „Wenn Sie jedoch fragen, was es mit dem Gobelin auf sich hat, ich … kann Ihnen keinerlei Aufschluß darüber geben, ich darf es nicht, und … wenn Sie mich verhaften und einsperren.“ Sie hatte ihre frühere Sicherheit wieder gewonnen. Sie schaute Lücke forschend an.

„Werden Sie mich verhaften?!“ fragte sie nochmals.

Lücke trat rasch näher. „Von einem Gobelin weiß [25] ich überhaupt noch nichts,“ meinte er ernst. „Ich weiß nur, daß Sie Professor Huber baten, Sie zu begleiten, und daß dieser Banks ein bekannter Einbrecher, Dieb und Hochstapler ist und hier bei Ihnen ermordet wurde. Er starb nach Angabe unseres Arztes etwa zu derselben Zeit, als Sie hier in Ihr Atelier kamen – vor knapp anderthalb Stunden. So leid es mir tut, Miß Saalfield, – der Tatbestand darf nicht verdunkelt werden … Sie sind verhaftet.“

Heloise nickte geistesabwesend. Sie ergab sich in ihr Schicksal. Ihre Augen wanderten zu Harst hinüber, dann erhob sie sich rasch, eilte zu Harald hin und flüsterte ihm einige Sätze zu. Harsts Gesicht verriet ungläubiges Erstaunen.

Die Ateliertür wurde aufgerissen. Ein jüngerer Herr, hinter ihm der Schupowachtmeister, trat hastig ein. Der Herr verbeugte sich und lüftete den dunklen Velourhut. „Ich bin Lord Saalfield … ein entfernter Vetter von Miß Heloise.“ Er blickte sie nicht an. „Mr. Froest kennt mich. Er ist in meinem Auftrag in Berlin. Ich komme soeben aus der Laubenkolonie. Mr. Pagel erzählte mir, daß der Gobelin gestohlen ist. Fragen Sie Miß Heloise, wo er blieb, sie weiß es.“

Heloise Saalfield sagte eisig: „Sie sind ein erbärmlicher Heuchler, Richard …! Wüßte ich, wo der Gobelin ist, könnte ich auch diese niederträchtige Anklage zurückweisen. Banks ist leider tot. Es ist entsetzlich, daß sich alles gegen mich verschworen hat.“ Sie drehte den Kopf, und ihre graublauen Augen suchten die Haralds. „Wenn Sie mir nicht helfen, ist alles verloren! Helfen Sie mir – und schweigen Sie! Die anderen kennen keine Rücksicht.“

Harst streckte ihr die Hand hin. „Es mag Ihnen vorläufig genügen: Ich glaube Ihnen!“

Lücke mischte sich sehr dienstlich ein. „Kein Wort [26] mehr!! Miß Saalfield, folgen Sie Assistent Krögel. – Krögel, unser Auto steht draußen. Seien Sie aber vorsichtig, rate ich Ihnen. Ich lasse mich nicht verblüffen, durch nichts beirren.“ –

Heloise Saalfield, Tochter Lord Ralph Saalfields, lernte eine Zelle des Roten Alex kennen. – Das war die erste große Etappe der Geschichte des alten Gobelin.




4. Kapitel.
Das neue Ulsterfutter.

Nachmittags hatte sich der Himmel bewölkt, es regnete sacht, ein kalter Wind fauchte über unser Haus hin, und im Harstschen Wintergarten war’s am Kaffeetisch doppelt gemütlich. Mathilde hatte gestern Napfkuchen mit Schokoladeneinlage gebacken, heute war das Kunstwerk schnittreif, und Harald setzte das Messer dann auch mit einer gewissen Feierlichkeit an und zerlegte das duftende Gebilde sorgsam in gleich große Scheiben, für jeden vier, das waren sechzehn Summa Summarum. Mathilde rechnete ja mit zu uns. – Frau Harst füllte die Tassen, und im Eßzimmer drüben war der Lautsprecher gestöpselt, Mährisch-Ostrau gibt zur Kaffeestunde diskrete leichte Musik und keine tiefgründigen Vorträge oder Saxophongequäke.

Frau Harst war noch ganz ahnungslos. Wir waren zu rechter Zeit zu Tisch erschienen, und Mathildes wundervolle Bierkarpfen hätten schlecht zu diesen bösen Vormittagserlebnissen gepaßt. Wir redeten über Wetter und kleine häusliche Fragen, nach Tisch setzte sich Harald an die Arbeit und entwarf die „Disposition“, ich hielt im Sessel mein Nickerchen, und erst jetzt war’s Zeit, unsere liebe gütige Vertraute einzuweihen. Haralds Mutter wird nie ausgeschaltet. – „Liebe Mama, ich möchte [27] dir einen ganz interessanten Fall vortragen …“ – Harst zog seine „Disposition“ aus der Tasche. „Ich habe die wichtigsten Punkte niedergeschrieben und geordnet. Es handelt sich um die Geschichte eines alten englischen Gobelins, der Gott weiß wie hier nach Berlin sich verirrte. – Darf ich vorlesen? Es sind natürlich nur Stichworte. Schraut wird ebenfalls[3] noch einige Aufschlüsse nötig haben.“ Er trank einen Schluck, aß zwei Happen und begann:

„Zwei Linien des alten Geschlechts der Saalfields leben in England seit langem in Feindschaft und Armut. Lord Ralph Saalfield ist Oberhaupt der Saalfields von Saalfield-Castle, Lord Richard Saalfield, dreißig Jahre, sympathische Erscheinung, Oberhaupt derer von Saalfield-Marnbour. – Vor vier Monaten kommt Heloise, einziges Kind von Ralph S., nach Berlin und mietet Atelier am Kolberger Platz und nimmt Malstunden bei Professor Huber. –

Gustav Pagel kauft alten Gobelin von Trödler aus Charlottenburg. Name des Trödlers Jakob Wasserberg, Krumme Straße 113. – Wasserberg weiß nicht mehr, wo er den Gobelin her hat.

Pagel beschneidet den zerlöcherten Gobelin und nagelt ihn über dem Sofa fest. Die abgeschnittenen Stücke benutzt er als Lappen zum Abdichten seines Stalles.

Pagel erhält Besuch: Seine Tochter Anni Gehrs, ferner Heloise Saalfield, dann auch Lord Richard. – Diese drei Personen interessieren sich für den Gobelin. – Gorry Banks, ein Einbrecher, besucht Pagels Nachbar Jaromir Zwancza und überredet ihn, für den Gobelin eine unverhältnismäßig hohe Summe zu bieten. Pagel weist die Leute ab.

Dies ist das Vorspiel.

Nächster Akt: Wir gehen heute spazieren, sehen Pagel vornüber sinken, er hat eine Wunde an der [28] linken Schläfe erhalten. Er berichtet alles Nötige. Der Gobelin ist gestohlen. Als Dieb kommt nur der Schütze in Frage. Ein Schuß war nicht zu hören. Also Preßluftbüchse. Der Teppich riecht nach Ziegen. Wir gehen zu dem Ziegenvater Jaromir Zwancza.

Zweiter Akt: Zwancza hat kurz vorher Besuch gehabt: Gorry Banks, der ihm wiederholt Ziegenkäse abkaufte und Zwancza durch eine Zigarette betäubte und in des Ziegenvaters Stiefeln und Schlafrock anscheinend den Schuß abfeuerte und den Gobelin stahl und nachher zu Heloises Atelier eilte. Bei Zwancza erfahren wir, daß er ein österreichischer Graf, daß seine Familie ermordet wurde. – Es erscheint Heloise, von Pagel geschickt, und meldet Ermordung Gorry Banks’ in ihrem Atelier. – Noch zu erwähnen: An der Pumpe zwischen den Grundstücken Pagels und des Ziegenvaters sehen wir einen Fremden mit Rollkamera.

Dritter: Wir mit Heloise zum Atelier. Sie streitet Bekanntschaft mit Banks ab, behauptet, Banks tot in ihrem Nebengemach vorgefunden zu haben, während ihr Lehrer Huber im Atelier blieb. – Im Atelier Mordkommission. Wir mit Heloise und Oberinspektor Froest zunächst allein. Froest beschuldigt Heloise des Mordes an Banks. Sie gibt jetzt Bekanntschaft mit ihm zu, weigert sich, Angaben über Gobelin zu machen. Lücke verhaftet sie, sie flüstert mir etwas zu, ihr Vetter Richard Saalfield tritt ein, in dessen Auftrag Frank Castle Froest in Berlin weilt, er erklärt, sie wüßte, wo Gobelin geblieben. Sie wirft ihm erbärmliche Heuchelei vor, Lücke läßt sie abführen.

Vierter: Aussprache an der Leiche Banks. Lücke verlangt, ich solle ihm angeben, was Heloise mir zuraunte. Ich weigerte mich. Verstimmung. – Froest erklärt: Lord Richard habe ihn gebeten, Heloise hier zu beobachten. Weiter nichts, keine Gründe. – Froest ist [29] Richards Vaters Freund gewesen. Deshalb aus Gefälligkeit Übernahme des Auftrags. Froest photographiert Heloise und Banks bei drei heimlichen Zusammenkünften im Grunewald. Seine Angaben ohne Bedeutung, bis auf seine Behauptung, Heloise habe Banks erstochen, der im Nebengemach auf sie wartete. – – Richard Saalfield-Marnbour weigert sich, über Gründe für Heloises Beobachtung und über Gobelin etwas zu äußern. Gibt zu, ohne Wissen Froests seit einer Woche in Berlin zu sein. – Durchsuchung des Ateliers ohne Erfolg. Keine Spuren einer fremden Person. Verdacht bleibt auf Heloise haften. Den Umständen nach wohl möglich, daß sie die Mörderin. – Professor Huber erklärte, Heloise habe ihn gebeten, ihre Zeichnungen anzusehen. – Banks Messerstich durchs Herz, mit großer Kraft geführt, Waffe nicht gefunden.

Fünfter: Lücke, Froest, Richard S. und wir zu Pagel. Gobelin nicht dort. Dann zu Jaromir Graf Zwancza. Gobelin nicht zu finden, nur Futteral mit Golfstöcken, im Futteral Preßluftbüchse, Futteral war unter Gerümpel versteckt. Sonst keine Spuren. – Wir kehren heim. – –

Fragen: Wer feuerte auf Pagel? Wer stahl den Gobelin? Wo blieb er?

Welchen Wert hat Gobelin für die Saalfields? Weshalb seinetwegen so viel Geheimniskrämerei?

Wo hatte Jakob Wasserberg ihn her?

– – Harald legte seine Niederschrift auf den Tisch. „Das wäre so ziemlich alles, liebe Mama.“

„Es ist übergenug,“ meinte Frau Harst seufzend. „Lies es mir bitte nochmals vor … Mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste.“

Harst gehorchte. Manches betonte er besonders, so das Futteral. Dann erklärte er mit großer Bestimmtheit: [30] „Banks schoß nicht auf Pagel. Banks stahl nicht den Gobelin.“

Seine Mutter schüttelte zweifelnd das weiße Haupt. „Wer sonst, mein Junge?“

„Der, dem der Gobelin einst vom Ausland nach Berlin zugeschickt wurde,“ erwiderte Harald ebenso bestimmt.

„Das … verstehe ich nicht ganz. – – Was flüsterte Heloise dir zu?“

„Folgende Sätze: „Wir von Saalfield-Castle wollen Gobelin erhalten, die von Saalfield-Marnbour müssen ihn vernichten. Retten Sie den Gobelin …“

„Seltsam!“ murmelte meine mütterliche Freundin. „Man glaubt stets, daß sich eines Tages die Vielseitigkeit krimineller Vorgänge erschöpfen müsse, und blickt man dann genauer hin, werden sie nur noch farbiger, figurenreicher und verwickelter. – Wie denkst du über diese Dinge, Harald?“

Der große Junge Harald mit dem leicht ergrauten Scheitel und dem bartlosen hageren Gesicht, aus dem die Nase recht impertinent herausspringt, nahm ein neues Stück Kuchen und sagte zu Mathilde, die soeben aufgetaucht war: „Bringen Sie bitte meinen Winterulster her, liebe Mathilde. Er liegt zusammengefaltet in Schrauts Schlafzimmer, wo ich ihn aus bestimmten Gründen bei der Heimkehr ablegte. Lassen Sie ihn jedoch zusammengefaltet. – Der Napfkuchen ist wieder großartig, Sie alte treue Seele. Was wäre mein Magen ohne Mathilde!“

Unsere Dicke schmunzelte im Lampenlicht. Ein paar Palmenwedel der nächsten Kübelpalme überragten ihr graues Haupt und das Rattenschwänzchen von Zopf, das sich trotz aller Haarnadeln immer wieder loslöste.

„Was Ihr Magen wär, Herr Harald?! Ohne mir – – Müllabladestelle!“ sagte sie selbstbewußt.

„Ohne mich,“ korrigierte Harst leise. „Immer noch [31] ohne mir,“ rief Thilde gereizt. „Ich bin mit „ohne mir“ alt geworden, und man soll hinter sechzig seine Lebensweise nicht ändern.“

Dann brachte sie den Ulster …

„Da – bitt’ schön … Das Ding wiegt ja rein n’ Zentner.“

„Ja,“ meinte Harst harmlos, „ich habe mir auch ein neues Futter eingesetzt … Zeigen Sie es mal Mama …“

Als unsere Dicke uns die Innenseite vorwies, erblickten wir, mit großen Sicherheitsnadeln angesteckt und sorgfältig umgeschlagen, als Futter einen verwaschenen Gobelin, eine Szene aus Shakespeares Richard III., – die berühmte Szene nach der Schlacht mit dem Schreckensruf des Unholds: „Ein Königreich für ein Pferd!“

Wir waren sprachlos.

Nur der Gobelindieb war es nicht. Er hatte sein viertes und letztes Stück Kuchen in Arbeit und meinte ohne jede Spur von Gewissensbissen: „Das Wertstück wird in unserem Stahlschrank zweifellos am sichersten aufgehoben sein. Ich fand es, als wir, Akt fünf, bei Gustav Pagel waren … Es lag dort, wo niemand es gesucht hätte, – und man sucht nie an Orten, die sofort ins Auge springen, die sozusagen offenherzig sind: In Pagels noch zerwühltem Bett zusammengelegt unter dem Kopfkissen. Ihr anderen bemühtet euch im Stall, im Mistbeet, auf dem kleinen Boden. Ich bemühte nur mein Hirn, und das raunte mir zu: „Es ist alles Schwindel …!“ – Wie weit alles Schwindel ist, wird sich noch zeigen.“

Ich blickte Harst ein wenig mißtrauisch an. Seine Angaben genügten mir nicht recht.

„Hm – trägst du immer ein Päckchen großer Sicherheitsnadeln mit dir herum?!“ bemerkte ich stark ironisch, während Frau Harst den Gobelin näher prüfte.

[32] Er zwinkerte mir belustigt zu. „Schau’ an, – nicht schlecht! Immerhin ein Geistesblitz! Die Nadeln lagen auf dem Nachttischchen, genau zehn Stück, und alle offen. Du weißt, wie ich das meine. Eine Sicherheitsnadel hat eine Kappe für die Spitze. Die Nadelspitzen waren nicht in den Kappen. Also hatte die Person, die den Gobelin zu Pagel vielleicht zurückbrachte – ich betone: Vielleicht! –, das Ding genau so am Körper versteckt wie ich nachher. Diese Person beeilte sich, die Beute zu verbergen, zog die Nadeln vielleicht heraus, legte sie vielleicht auf das Tischchen, vergaß sie nachher, und mir wurden sie auf diese Weise sehr nützlich. – Wer war die Person? Ach du, liebe Mama, schaust mich fragend an, auch du möchtest eine eindeutige Antwort haben. Ich kann sie euch beim besten Willen nicht geben. Ich habe lediglich einen ganz bestimmten Verdacht …“

„Gegen … Lord Richard Saalfield!“ – und ich hatte meine guten Gründe, dies zu behaupten. „Lord Richard trug wie du einen sehr weiten, langen Ulster, er erschien mir fast zu weit, dieser echt englische Ulster, und die Falten im Rücken waren für meinen Geschmack zu groß, – das Kleidungsstück schien nicht zu sitzen. Kein Wunder, wenn darunter ein Gobelin getragen wird!“

Frau Harst hörte aufmerksam zu. Mathilde war wieder verschwunden, sie hat lediglich ein einziges Interesse an unseren kleinen Abenteuern: Daß wir durch diese nicht etwa die Tischzeit versäumen. – „Ich kann an dem Gobelin gar nichts Besonderes entdecken,“ meinte Haralds Mutter enttäuscht und besichtigte auch die Rückseite. „Es ist zweifellos Handarbeit und ein altes, trotz der verblichenen Farben sehr schönes Stück. Die Figuren der Kämpfenden im Hintergrund, die Bäume, die Büsche, vorn die Gestalt des flüchtenden Königs und die beiden verwundeten Ritter, – – eine Rarität vielleicht, jedoch ohne irgendein Geheimnis. Man könnte [33] annehmen, daß in die farbigen Gestalten und die Landschaft irgendwie Buchstaben hineingewebt sind, die einen wertvollen Sinn ergeben könnten. Nichts davon – nichts, mein Junge …“

Harst trat zu ihr. „Nichts mehr, das stimmt, nichts mehr! Aber es war so gewiß etwas Derartiges vorhanden, liebe Mutter, wie an der Tatsache nicht zu rütteln ist, daß Gustav Pagel die mottenzerfressenen Seitenteile wegschnitt und den Gobelin so erheblich verkleinerte.“

Frau Harst und ich riefen in einem Atem:

„Und diese fehlenden Teile?!“

Harald lachte: „Ja, es war sehr gut, daß ich Freund Pagel riet, die Verwendung dieser Stücke zu verheimlichen … Er sagte zu Lücke, er habe sie weggeworfen, – sie seien verbrannt worden – er wüßte nicht mehr recht etwas über deren Verbleib anzugeben. Alle gaben sich damit zufrieden. Nur …“

„… nur Lord Richard fragte noch weiter,“ fiel ich ein. „Also ein neuer Beweis, daß er den Gobelin stahl, daß er ihn wieder abgab, nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Ding wertlos sei.“

„Vielleicht …“ – Harald hob die Schultern, „vielleicht ist es so … Wäre es so, wäre Lord Richard auch der Schütze, der Pagel niederknallte. Gorry Banks, der arme Teufel, tat es bestimmt nicht, der war von Heloise Saalfield nur als Dieb gedungen, und daß in seinem Futteral für Golfstöcke auch das kurze Luftgewehr steckte, besagt gar nichts. Das kann ein anderer in das Futteral hineingeschoben haben, um Banks zu verdächtigen. Dieser andere ist eben auch Banks Mörder.“

„Und … was enthalten die mottenzerfressenen Stücke?“ fragte Frau Harst gespannt.

„Genau das, was du vermutest, liebe Mama: Ganz unauffällig eingewebte Buchstaben, Worte, Sätze, – – [34] das große Geheimnis also, das für die Saalfields von Saalfield-Castle von Nutzen, für die andere Linie, die Saalfield-Marnbours, schädlich ist. Und nun …“ – er nahm den Gobelin über den Arm – „wollen wir die Theorie begraben, dieses Ding wegschließen und zur Praxis übergehen, das heißt: Pagel besuchen, uns die weggeschnittenen Stücke ansehen und dann entscheiden, was weiter zu geschehen hat. – Mache dich fertig, mein Alter … Es regnet und stürmt draußen, und in der Kolonie werden wir kaum jemandem begegnen, es sei denn einer Person, die heute bereits ein Menschenleben opferte, ein zweites beinahe auslöschte und uns beide vielleicht auch beseitigen würde, wenn sie ahnte, daß wir die Sachlage bereits bis zur Hälfte geklärt haben. – Keine Sorge, Mama … Wir werden vorsichtig sein … Ich verspreche dir, zum Abendessen heil und munter wieder daheim zu sein … Möglich, daß wir einen Gast, auch zwei oder drei mitbringen. Mathilde mag sich mit den Einkäufen danach richten. – Wiedersehen…“ Er küßte sie auf die Stirn, wir gingen nach vorn in Harsts Arbeitszimmer, es war bereits völlig dunkel, ich schaltete das Licht ein, – – und am warmen Kamin im weichen tiefen Klubsessel saß eine kleine rundliche Gestalt mit grauem borstigen Schnurrbart, frischem Gesicht, blanken Augen: Frank Castle Froest, Oberinspektor a. D., Privatier, Beauftragter Seiner Lordschaft Richard Saalfield.

„Guten Abend,“ sagte Froest ganz ernst. „Ich würde an Ihrer Stelle der Hoftür ein besseres Schloß spenden. Ihre Unterhaltung im Wintergarten war sehr interessant.“




[35]
5. Kapitel.
Die drei Parteien.

Unsere gänzlich verdutzten Gesichter nötigten ihm nur ein schwaches Lächeln ab. „Entschuldigen Sie mein Eindringen,“ meinte er höflich. „Ich hätte geläutet und mich bemerkbar gemacht, aber die Umstände waren dagegen. Hätte ich mich in dem hell erleuchteten Wintergarten gezeigt, würde ich nicht mehr leben, und Sie beide wahrscheinlich auch nicht mehr.“ Er streifte den linken Ärmel hoch. Er hatte um den Unterarm ein Taschentuch geknotet, es war blutig. „Von einer Kugel, Harst … Das war die Quittung für mein Betreten Ihres Gemüsegartens … Hätte ich nicht sehr flink die Hintertür Ihres Hauses aufbekommen, würde ich draußen mit einem gefährlicheren Loch in einem edleren Körperteil liegen. Der Kerl tut ganze Arbeit, weiß Gott. Hier haben Sie eiserne Fensterläden, und die sind geschlossen – zum Glück. Nun lauert der Bursche da draußen irgendwo und möchte uns gern auslöschen. Ich beneide ihn nicht, – – bei dem Wetter im Freien! Ein Schnupfen ist ihm sicher, – später eine Zelle, und wär’s ein Engländer und wäre Berlin London, würde er es aus der Zelle nicht weit bis zur Höllenfahrt haben. – Setzen Sie sich doch. Meine Kollegen und Untergebenen von einst titulierten mich meistens Mr. Parlament, – ich rede gern und viel, jeder hat seine Methode, der eine macht’s mit Wortkargheit, der andere mit einer flinken Zunge. Ich sage Ihnen: Als ich Jabry Balfour[WS 2], der die Kleinigkeit von sieben Millionen Pfund erschwindelte, ein Jahr lang verfolgte, mußte ich wie ein Wasserfall reden. Der Gentleman war in Argentinien, ich spielte den Professor der Botanik, – – nun, ich erwischte ihn, leicht war das nicht. – Sie verstehen doch: [36] Ich mußte in Ihrem Eßzimmer hinter dem Wandschirm bleiben. Der Kerl durfte nicht wissen, daß ich ins Haus geschlüpft war. Ich beobachtete Sie beide. Hätte sich einer von Ihnen den Fenstern genähert, würde ich gerufen haben. So aber ist es besser. Der Halunke soll naß wie eins Katze werden.“

– Wir hatten inzwischen die erste Überraschung überwunden. Harst fragte geradezu: „Wer ist’s?“

Frank Castle Froest befühlte seinen Unterarm. „Wenn ich das wüßte, wäre ich nicht abgeneigt, um eine anständige Zigarre zu bitten. Jedenfalls ein unheimlich fixer Kerl, kaltblütig, schlau, tollkühn, frech … – danke verbindlichst, lieber Harst … Ohne Zigarre bin ich nur ein halber Mensch.“ Er rieb ein Zündholz an … „Schließen Sie den Lappen ein, und dann wollen wir beraten, wie wir den Mann fangen können. Leicht wird das nicht sein, verlassen Sie sich in dem Punkt auf meine Erfahrung.“

Die schwere Tür des[4] modernen Tresors sprang lautlos auf, der Gobelin wurde hineingeschoben, Harst wandte halb den Kopf und meinte leise: „Niemand kann wissen, was geschieht. Ich will Ihnen das Stichwort des Kombinationsschlosses nennen, lieber Froest. Es heißt Dezember. Möglich, daß Sie den Gobelin plötzlich brauchen und daß wir nicht gleich zur Hand sind.“

Er blickte vor sich hin auf den dunkelroten Afghanteppich. „Vielleicht gehen wir in diesem Falle „Gobelin“ vollständig auf Seitenpfaden, die sich nachher in Brachland verlieren. Ich habe einen Verdacht, gewiß, aber ich bin wieder unsicher geworden. – Schwebt zwischen den beiden Linien der Saalfields ein Prozeß?“

Der alte Froest hob erstaunt den Kopf. Auch er hatte das zarte Muster des Teppichs eingehend betrachtet. „Das wissen Sie nicht? – Der größte Prozeß, der je die Londoner Anwälte und Gerichte in Atem hielt. Fünf [37] Jahre dehnt sich dieses Ungeheuer von Prozeß bereits in die Länge, beide Linien der Saalfields sind darüber arm geworden, das Untier fraß Honorare und Gerichtskosten, jetzt schläft die Bestie, weil die Fütterung fehlt, die Saalfields sind ausgepumpt. Gegenstand des Rechtsstreites sind die Diamantminen von Fafnertown in Kapland, die einem Saalfield gehörten, der sozusagen das Bindeglied beider Linien war, mit beiden gleich nahe verwandt, ein gewisser Robert Saalfield, halber Abenteurer, Junggeselle, bissige Natur, übler Witzbold, gestorben in Fafnertown, hinterließ zwei rechtsgültige Testamente vom selben Tage datiert, das eine setzte die Saalfield-Castle, das andere die Saalfield-Marnbour zu Universalerben ein. Von Stund an herrschte grimme Feindschaft zwischen den Parteien, Lord Ralph Saalfield ist genau so ein Dickschädel wie Lady Honoria, Richards Mutter, – jeder Vergleichsversuch scheiterte, die Erbschaft wird von einem Notar verwaltet, das Streitobjekt hat einen Wert von zwölf Millionen Pfund Sterling, kein Pappenstiel also, – jede Partei behauptet, das der Gegenseite günstige Testament sei gefälscht, Aktenstöße sind entstanden, Heloise und Richard, die als Kinder unzertrennlich waren, ließen sich mit aufputschen – – ein Elend! Was aber der Gobelin bei alledem soll, ist mir genauso schleierhaft wie der tiefere Anlaß zu Lord Richards Bitte, ich sollte Heloise hier überwachen. Von dem Gobelin erfuhr ich erst heute etwas, leider, obwohl ich doch Banks genauso scharf beschattete wie Heloise und von ihren Besuchen bei Pagel und Jaromir Kenntnis hatte.“

Harst schloß den Tresor. „Ich habe sofort an eine Erbschaft und an einen Prozeß gedacht, lieber Froest. Das lag so nahe. Heloise und Richard benahmen sich heute im Atelier wie knurrende Köter, – der Vergleich mag nicht eben fein sein, und dieses Anknurren, ich bin [38] ja Jurist gewesen, erinnerte mich sofort an gehässige Prozeßparteien. Nun, Ihre Angaben klären die Lage abermals um ein Winziges.“ Er setzte sich und horchte mit geneigtem Kopf auf das Prasseln des Regens draußen. „Ein Unwetter,“ sagte er zerstreut. „Wo bemerkten Sie den Feind jetzt zuerst, als Sie zu uns wollten?“

„Im Gemüsegarten. Als ich ihn bemerkte, schoß er auch schon, und da ich mich grundsätzlich nicht mit Schußwaffen herumschleppe, sondern meine Fäuste mir allzeit genügt haben, täuschte ich Flucht um das Haus vor, kroch zur Hintertür und schlüpfte hinein. Dort liegt mein Mantel. Er ist vorn stark mitgenommen von dem Pflasterschmutz Ihres Hofes.“

Harst sagte nach kurzem Überlegen: „Es sind mehrere, Froest. Einer allein niemals. Es ist ein Komplott. Die uralte Frage: „Wer hat den Vorteil?“ wird auch hier ausschlaggebend sein. Banks ist tot. Banks wußte zu viel. Daher mußte er sterben. Er starb so, daß Heloise in Verdacht geriet, – was Absicht der dritten Partei war. Woher wußte Banks zu viel?! Durch Heloise nicht, – durch wen also?!“

Haralds Art, solche Folgerungen aneinander zu reihen, gleicht im Tonfall den weltabgewandten Reden eines Mediums. Je mehr er seinen Geist anstrengt, desto monotoner wird seine Stimme.

Froest sog krampfhaft an seiner Zigarre. Sie war längst erloschen. Er merkte es nicht. „Ihre Gedankengänge laufen den meinen parallel. Zwei Fragen schälen sich aus einer harten, widerspruchsvollen Hülle heraus: Wem zum Vorteil? – – Was hat’s mit dem Gobelin auf sich?“

„Und die dritte: Was wußte Banks?!“ fügte Harst hinzu. „Seit wann wußte er „zu viel“? Auch das dürfen wir nicht außer acht lassen. – – Ein Unwetter …! Wie der Sturm im Kamin faucht!! Man spürt die Windstöße [39] bis hierher … Selbst die Türvorhänge dort wehen hin und her …“ Er deutete auf den Eingang zur Bibliothek.

Er erhob sich lautlos. Im selben Moment stand Froest auf. Er blickte auf Harsts Hand und nickte zustimmend. In dieser Hand lag etwas Dunkles mit kurzem Lauf.

Harst glitt zu den Vorhängen, bückte sich, schlüpfte blitzschnell hinein … Glas klirrte … Eine unserer schönsten Wiener Vasen war in Scherben zerfallen.

Als Froest und ich hinterdrein stürmten, stand Harst mit der Taschenlampe neben einem offenen Fenster und zog mit der ausgestreckten Hand rasch den Laden zu. Ein dumpfes Klatschen kündete einen zweiten Schuß an, der nur das Eisen traf.

Harald lachte leise. „Pech!! Beiderseits. Aber frech sind die Herrschaften, das muß man ihnen lassen. Der, der hier horchte, nahm denselben Weg wie Sie – durch die Hintertür, lieber Froest. Er hätte sich die Schuhe reinigen sollen …“ – Nachdem er den Laden befestigt hatte, ging er ins Arbeitszimmer zurück. „Da – das ist die Schmutzkruste, die sich von einem Absatz löste …“ Er hob sie vorsichtig vom Afghan auf. „Sie sahen sie auch, Froest … Nun weiß der Mann mehr, als gut ist. Also – schnell zu Pagel … Wir müssen etwas riskieren, es hilft nicht. Wenn die dritte Partei die abgeschnittenen Teile des Gobelins erwischt, wird dieses Rätsel nie gelöst werden.“ Er warf einen bedauernden Blick auf die Scherben. „Nun – besser Glas als Kopf … Gehen wir, laufen wir.“

Froest zog schon seinen schmutzigen Mantel an.

Als wir durch die Hintertür den Hof betraten, schlug uns der Regen wie Peitschenhiebe in die Gesichter. Wir liefen, – wir hielten Abstand, – – bis zum Laubengelände sind’s nur wenige Meter, – wir kamen vor Pagels Zauntür an, sie war offen … Wir [40] eilten dem Häuschen zu, hinter den Vorhängen schimmerte Licht, die Tür war nur eingeklinkt …

Auf dem Sofa lag Gustav Pagel, gefesselt, auf dem Gesicht ein mit Chloroform getränktes Handtuch. Er war ohne Besinnung …

Wären wir fünf Minuten später erschienen, wäre er sanft hinübergeschlummert und hätte genau so wenig wie Banks etwas verraten können.




6. Kapitel.
Der Kaninchenstall.

Harst hielt sich in Pagels Stube nicht lange auf. Er musterte die Möbel, den Teppich, betrachtete die Türschwelle und lief hinaus in den Kaninchenstall. „Kümmert euch um den armen Teufel,“ rief er nur, und die Tür schlug zu.

Froest fühlte Pagel den Puls. „Es geht …“ nickte er. „Ziemlich kräftig … Bringen wir ihn auf sein Bett. Wir müßten ja zweckmäßig die Fenster öffnen, damit er frische Luft bekommt, aber ich wage es nicht recht, denn …“

… Peng … Peng … Peng … klang es draußen, – drei Schüsse, – – Frank Castle Froest war im Nu zur Tür hinaus, ich hinterdrein. Vor uns blitzte durch die Regenschnüre ein kleiner Lichtkegel auf, Harst stand in der Stalltür und rief uns zu: „Entwischt!! Der Bursche verschwand wie ein Blitz, und die Lappen sind weg …“

Wir drängten uns in das Ställchen, wir sahen die losgerissenen Pfähle und Pappstücke an der linken Wand, – Heu, Stroh, Torfmull lagen auf dem Boden, das kleine Fenster war offen, – „dort entschlüpfte er mir,“ meinte Harald, „und die Schüsse hätte ich mir sparen [41] können, ich zielte ohnedies nur auf die Beine.“

Froest stieß einen saftigen Fluch aus. „Das nennt man Pech haben!! Sahen Sie den Burschen?“

„Ja … Als ich, die Stalltür öffnete, hing er schon halb zum Fenster hinaus … Seine Beine waren vornehm. Gute Schuhe, Hosen mit Bügelfalten. Aber braune Halbschuhe und gestreifte Beinkleider dürften kein genügendes Erkennungszeichen sein.“ Er schloß das Fenster und sah sich die Kaninchenboxen an. Die blanken Augen der Tiere flimmerten im elektrischen Licht leicht violett. Der scharfe Geruch der Ställe, der angenehmere von trockenem Heu und der prägnante Dunst des Blättchenpulvers gaben ein atembeklemmendes Gemisch ab. Froest zog auch die Stalltür zu. „Lauert der Kerl draußen, dann können wir losen, wen er vielleicht abschießt,“ sagte er grollend. „Ein angenehmer Winternachmittag, fürwahr! Aber man wird wieder jung dabei. Harst, ob wir hier die Wandabdichtung nicht doch noch durchsuchen?! Vielleicht finden wir die abgeschnittenen Stücke noch. Der Bursche wurde bei seiner Arbeit gestört, – man kann nicht wissen …“

Er bückte sich und riß noch ein Stück Dachpappe weg. Harst packte ihn, – auch ich bekam einen Stoß und taumelte bis zur Tür, wir prallten aneinander.

„Lassen Sie das …“ meinte Harald außer Atem. „Die dritte Partei möchte uns stumm machen … Garantieren Sie dafür, daß der Schuft nicht hier eine kleine Explosion vorbereitet hat?! Möglich ist alles …“

Der Oberinspektor nickte eifrig. „Eigentlich läge das sehr nahe, Harst, Sie haben recht.“

Harst beleuchtete den Boden. Die Dielen bestanden aus Kistendeckeln, die Pagel einfach nebeneinander gelegt hatte.

Er hob zwei empor, klappte sie hoch. Wir sahen [42] sofort zwei gelbe isolierte Kupferdrähte von der Stärke, die zu Hausglocken verwandt wird.

Froest kniete nieder, zerschnitt den einen mit seinem Taschenmesser, dann auch den anderen. „Bin neugierig, wo der Kontakt sich finden wird, Harst … Zunächst aber mal die Höllenmaschine … Die Drähte laufen hier rechts zur Tür – neben die Tür … – Hallo – eine hübsche Gießkanne!! Schau’ an, durch die Tülle führen die Dinger, und diese kleine Pappschachtel in der Gießkanne – – arme Kaninchen, ihr wäret mit gen Himmel geflogen!“

Die Gießkanne hatte mit dem Griff nach unten an der Wand gelehnt. Ich fühlte ein leichtes Krieseln in der Rückengegend, – der Gedanke, daß uns vielleicht nur noch Sekunden von der Ewigkeit getrennt hatten, hätte auch besseren Nerven ein Kältegefühl vermittelt.

„Sehr unternehmungslustige Herrschaften,“ sagte Froest leise. „Eine Lebensversicherung würde mit uns jetzt vielleicht sehr schlechte Geschäfte machen – sehr schlechte. Schalten Sie Ihre Lampe aus, Harst, und dann einzeln im Galopp zu Pagel zurück, es regnet Stricke, und es ist finster wie im Eiskeller … Wir werden wohl durchkommen …“

Ich rannte als letzter hinüber, es waren nur acht Sprünge, aber ich bin nie so gazellenartig gehüpft wie damals.

In Pagels Wohnstube stand neben dem Sofa ein regennasser Gummimantel, in dem Hans Lücke steckte.

„N’Abend, Kinder …“ Er schien den Groll vom Vormittag über Harsts Weigerung, Heloises streng vertraulich geflüsterte Mitteilung zu verraten, vergessen zu haben. „Ihr hättet auch im Schneckenschritt vom Stall hierher kommen können, der Mann sitzt fest, auf den Sie schossen, Harst. Seine Lordschaft hat eine Kugel in die hochgeborene Wade bekommen, aber Sie brauchen deshalb keine Anklage wegen Körperverletzung zu fürchten, [43] es sei denn, daß der neue Weltkonzern gegen Benutzung von Schußwaffen sich einmengt, der uns Polizisten mit Schokoladestangen statt Gummiknütteln und mit Blasrohren mit Wattekugeln statt Pistolen ausrüsten will. Ein dementsprechender Antrag ist der Quasselbude am Bismarckdenkmal schon zugegangen, und der olle Bismarck soll sich hintenwo bedenklich gekratzt haben, sagt man. Jedenfalls wart ihr drei nicht die einzigen hier auf einsamer Flur, auch wir waren da, sieben Mann hoch, denn daß hier der Kern der Nuß zu suchen ist, hat mir mein simpler Verstand sofort gesagt. Ein Gobelin, dem breite Stücke fehlen, kann wertlos sein, während die Stücke das Wichtigste sein dürften, sagte ich mir … – Pagel atmet schon tiefer … Lord Richards ärztliche Methoden vor dem Zahnziehen sind unvollkommen, falls der Patient sterben soll.“

Er setzte sich und nickte seinem englischen Kollegen Froest gemütlich zu. „Vielleicht kriegt ihr in London von uns vom Roten Alex nun eine bessere Meinung … Ihr Auftraggeber ist unterwegs nach dem Alexanderplatz, dort lehnt die Luftbüchse, die er wegwarf, also Luftbüchse Nummer zwei, etwas naß und schmutzig. Er war so empört, der Herr Lord, daß er gar nichts redete. Schweigen ist zuweilen von Vorteil. Wenn ihm erst sein Wadenloch verbunden ist, wird er wohl eine lockere Zunge haben und einige nette kleine Bären in Bereitschaft haben, die er uns aufbinden will. – Nehmt Platz, Herrschaften … Ihr seid nun sicher. Erzählt mal … Harst ist vielleicht gebefreudiger als am Vormittag. Wie stehen die Aktien?!“

„Sie liegen wahrscheinlich irgendwo,“ meinte Harst achselzuckend. „Ich finde, Lücke, Sie haben jetzt Ihren nervösen Monat. Weshalb behielten Sie Lord Richard nicht hier? Die kleine Schußwunde hätten wir auch verbinden können. Haben Sie ihn durchsucht?“

[44] „Bis aufs Hemd …“ Der lange Hans schmunzelte. „Sie denken, er hatte die Stücke noch bei sich. Irrtum. Ich habe sie … Sie lagen allerdings als „Aktien“ auch draußen herum, weggeworfen hatte er sie wie seine Mordwaffe … da sind sie …“

Er zeigte auf den eisernen Ofen, der vor Hitze spuckte. Neben ihm stand ein Schemel, über dem Schemel hingen vier Stücke Gobelin zum Trocknen, nur noch Lumpen, zernagt von Motten und vom Zahn der Zeit, naß, unansehnlich … –

Es gibt Stunden, in denen man von einer Überraschung in die andere fällt – wie ein Trunkener, der Regenwasserfässer für solide Plakatsäulen hält.

Froest rief frohlockend: „Nun werden wir die Rätsel sehr bald gelöst haben, lieber Harst.“ Er nahm einen der Lappen, unfehlbar die Unterkante des Gobelins, breitete sie auf dem Tische aus und schaltete seine Lampe ein.

Harald saß in dem Großvaterstuhl und spielte mit seinem Zigarettenetui. „Rätsel lösen, – – wissen Sie, Froest, mich überläuft es immer eiskalt bei dieser verdammten Redensart, die Sie in jedem Kriminalschmöker finden.“ Er nahm eine Zigarette und schaute nach Pagel hin. „Da – er erwacht … So sehr tief war die Narkose nicht. Zum Glück. Na, mein lieber Freund Pagel, wie fühlen Sie sich?“

„Es … geht,“ meinte der alte Mann leise. „Sind … sind die Kerle verhaftet worden?“

„Reden Sie in der Einzahl, dann mag es stimmen. – Wieviel waren’s?“

„Zwei … Sie kamen urplötzlich wie die Teufel über mich … Von Gegenwehr keine Rede … Lappen hatten Sie vor den Gesichtern, die Schufte …“

„Lappen spielen hier eine große Rolle, mein lieber Pagel. Froest studiert auch einen Lappen … Na, finden Sie etwas, Froest?“

[45] „Nicht die Spur!“

Gustav Pagel bat um einen Pflaumenschnaps. „Mir ist so weh im Magen … Der Geschmack im Munde ist scheußlich …“

Harst knipste sein Feuerzeug an und hielt es halb empor. Mit der Zigarette zwischen den Lippen murmelte er: „Schnaps ohne weißes Pulver kann Ihnen nichts schaden. Schraut, dort steht die selbstgebraute Batterie. Öffne eine Flasche und gib denen, die da dürsten … Gib trotz Lückes abwehrender Geste. Manchmal verträgt sich Chloroform mit Schnaps ganz gut.“

Froest breitete auch die anderen Lappen vor sich aus. „Harst, wir waren doch wohl auf dem Holzweg … Ich sehe nichts von miteingewebten Buchstaben.“

Die Erörterung über den Fall „Gobelin“ wurde nun lebhafter. Lücke wußte bereits von dem Prozeß um die Erbschaft des Südafrikaners Robert Saalfield, – was er nicht wußte, war Froests Abenteuer in unserem Gemüsegarten, und die Fortsetzung im Wintergarten, Arbeitszimmer und in der Bibliothek.

Er schüttelte dazu wiederholt den Kopf und putzte eifrig sein Monokel.

„Sehr merkwürdig das alles, Herrschaften … sehr, sehr! Da werde ein anderer draus schlau. Dritte Partei?! Hm – ob denn gar die Heloise und Lord Richard zu unrecht im Kittchen sitzen?! Das wäre höchst peinlich.“

„Sie sitzen bestimmt nicht zu unrecht,“ war Harsts etwas unerwartete Antwort. „Jedem das Seine! Eine Zelle beruhigt, weckt Erinnerungen, dämpft den Eifer, läutert und vereint.“

„Blech!“ sagte Lücke grob. „Was soll das nun wieder?“

„Geduld, Geduld …“ Harst schien plötzlich verdächtig guter Laune.

Ich flößte Pagel den Schnaps ein. Leute, die in [46] Narkose lagen, pflegen nach Einnahme von Flüssigkeiten sich leicht zu übergeben. Freund Pagel hatte einen Patentmagen.

„Mir ist’s schon viel besser,“ erklärte er. „Also – es soll was in die Fetzen eingewebt sein? Was denn?“

Harst rauchte mit allem Behagen.

„Wenn wir das wüßten! Wir glaubten es auch nur. So mancher irrt sich, mein lieber Pagel.“

Der alte Mann setzte sich aufrecht und rieb seine Handgelenke.

„Wie die Stricke eingeschnitten haben! Schändlich, einen Menschen so brutal zu fesseln …“ Er blickte vor sich hin. Harst griff nach der Unterkante des Gobelins. Es war ein Stück von dreißig Zentimeter Breite und gut zweieinhalb Meter Länge. „Nein, – hier ist nichts von dem, was vorhanden sein müßte, wenn wir uns nicht geirrt hätten … Schade. Ich gebe die Geschichte auf. Eines alten Gobelins wegen riskiere ich mein Leben nicht mehr. – Zeigen Sie mal die anderen Lappen, lieber Froest … Danke … Auch hier würde kein Mensch mit einem Vergrößerungsglas nachträglich eingestickte Buchstaben finden, das stimmt. Das schärfste Glas sieht da nichts. Ich denke, wir verabschieden uns. Sie legen sich am besten ins Bett, Pagel. Schlafen Sie. Morgen wird Ihnen ganz anders zumute sein.“

Gustav Pagel blickte ihn lange an. Mir kam es so vor, als ob in den Augen des Alten ein gewisses Mißtrauen schimmerte. Er meinte vorsichtig: „Sie … Sie … reden so eigentümlich, Herr Harst … Sie verbergen mir etwas. Ein Mann wie Sie läßt doch nicht eher locker, bis er einen vollen Erfolg buchen kann.“ Dann senkte er wieder den Kopf, die Falten um seinen Mund schienen sich zu vertiefen, und ein gramvoller, mir bis dahin unbekannter Zug trat in sein bleiches Gesicht.

„Vielleicht,“ sagte Harst nach einer Pause, „liegt [47] mir nichts an einem vollen Erfolg … Vielleicht liegen die Dinge so, daß man mit der dritten Partei ein gewisses Mitleid empfinden könnte, wenigstens mit einigen Helfern.“

Er wandte sich an Lücke. „Wir wollen nun die elektrische Leitung verfolgen … Der Druckknopf und die Batterien müssen zu finden sein. Ich würde Ihre Beamten auch noch bis gegen elf Uhr abends hier postiert lassen …“ Er zwinkerte Lücke heimlich zu. „Etwa bis elf, bis dahin wird die dritte Partei vielleicht versuchen, die Batterien zu entfernen, später kaum mehr. – Gute Nacht, Pagel … Gehen Sie wirklich zu Bett, Mann … Sie sind doch sehr mitgenommen, ich finde Sie sehr verändert. Dieser Tag hat Ihnen böse mitgespielt.“

Pagel lächelte trübselig. „Ja, es stimmt schon … Noch ein solcher Tag, und es ist alle mit mir … Das Schicksal sollte einen Siebzigjährigen verschonen …“ Er murmelte noch etwas vor sich hin, drückte uns die Hand und riegelte hinter uns die Tür ab. – Die Lappen hatte Lücke zusammengerollt und unter seinen flauschigen Gummimantel gesteckt. Pagel hatte noch gemeint, das wertlose Zeug gehöre besser in den Ofen … – „Hier ist’s schon heiß genug,“ meinte Harald daraufhin. – So schieden wir von Freund Pagel.




7. Kapitel.
Ausgezupfte Fäden.

Die Drahtleitung ließ sich sehr leicht verfolgen. Sie war durch die Wandritze des Stalles um diesen herum bis zu jenem Grundstück lose auf den Boden gelegt, das Pagels und Zwanczas Laube trennte. Dieser schmale Streifen mit einer elenden Bude war unbewohnt und gänzlich verwahrlost. Die Drähte endeten neben der Bude unter dem zerbrochenen Fenster, wo sie um einen Haken [48] geschlungen waren. Die Batterien standen in einem leeren Faß dicht daneben. Ein Holzdeckel lag über dem ehemaligen Teerfaß. Die Sprengladung in der Pappschachtel der Gießkanne war eine mittelgroße Dynamitpatrone. Wäre sie explodiert, hätte Pagels Kaninchenzucht unweigerlich zu Pelzwerk verarbeitet werden müssen, und wir drei im Stall, – – viel wäre von uns nicht übriggeblieben.

Sehr auffällig war, daß sich in dem nassen Erdreich keinerlei Fußspuren zeigten, obwohl die Leitung erst heute nach Einbruch der Dunkelheit angebracht worden sein konnte. Zumindest hätte neben der Teertonne, die unter dem weit überragenden Dache stand, in dem durch Regenspritzer angefeuchteten Erdreich irgendein Fußabdruck zurückgeblieben sein müssen. Es sprach auch nichts dafür, daß die Spuren etwa verwischt waren.

Die Batterie bestand aus zwei Vier-Volt-Glaselementen, die in einen gewöhnlichen Kasten, scheinbar eine Eierkiste, hineingestellt waren. Lücke ließ sie durch einen Beamten einpacken und mitnehmen. Er hoffte, an dem Glase Fingerabdrücke zu finden.

Wir schritten nun im Regen wieder den Weg entlang. Die Fenster bei Jaromir Zwancza waren erleuchtet gewesen, und Lücke erwähnte so nebenbei, daß der Ziegenvater in seiner Stube gesessen und gelesen hätte. Er hatte sein Haus auch dann nicht verlassen, als Haralds Schüsse die in weitem Umkreise versteckten Beamten alarmiert und als man Lord Richard gerade noch auf dem Wege dicht an Pagels Zaun abgefaßt hatte.

Wir vier gingen nebeneinander, hinter uns der Kriminalassistent mit der Kiste. Die Stimmung, die uns beherrschte, war recht geteilt. Frank Castle Froest war stumm wie ein Fisch. Lücke verteidigte sein energisches Vorgehen gegen Heloise Saalfield, von deren Schuldlosigkeit er nun ebenfalls überzeugt schien, mit etwas [49] fadenscheinigen Phrasen. Harst sagte nur, die Verhaftung hätte wahrscheinlich die Entwirrung der Vorgänge erschwert, und machte Lücke den Vorschlag, sowohl Heloise als auch Lord Richard sofort zu uns zu bringen.

„Wozu das?!“ fuhr der lange Hans gereizt auf.

„Weil ich Ihnen allen ein photographisches Experiment vorführen möchte, lieber Lücke. Ohne Grund stelle ich kein solches Ansinnen, ohne Grund sollen Ihre Leute nicht noch bis elf die Lauben beobachten, ohne Grund bitte ich Sie jetzt nicht, die Gobelinstücke mir zu überlassen. Nehmen Sie ein Auto, holen Sie die beiden, und ich verspreche Ihnen, daß der Gobelin sein … pardon … sein Geheimnis hergeben wird.“

Wir waren an unserem Obstgartenzaun angelangt. Die Dunkelheit war noch drückender geworden, der Wind pfiff in den kahlen Bäumen, irgendwo heulten ein paar Hunde kläglich über das unvorschriftsmäßige Dezemberwetter[5], irgendwo tutete ein Auto mit schriller Hupe.

Harst horchte.

„Still … Geben Sie acht, Lücke …!“

Wir lauschten. Froest flüsterte: „Das sind Signale.“

„Allerdings … Signale der dritten Partei, lieber Froest. Man kann mit einem Auto bequem den Parallelweg in der Laubenkolonie entlangfahren, in deren Mitte das Vereinshaus steht. – Jetzt schweigt die Hupe. Die Leute sind vielseitig. Ich müßte mich sehr irren, wenn die Zeichen nicht auf Ihre Leute sich beziehen.“

Lücke nahm seinem Assistenten das Paket ab. „Laufen Sie zurück, Gröber, – vielleicht kriegen Sie den Wagen noch zu fassen, und dann – kurzen Prozeß!“

Harst meinte kühl: „Bleiben Sie, Herr Gröber. Es ist an einem Toten genug. Die im Auto würden rücksichtslos schießen, die merken vielleicht, daß das Spiel verloren geht. Einer hat’s bestimmt gemerkt, und das sollte er auch.“

[50] Froest sagte gelassen: „Ja, Gustav Pagel. Wenn ich die Zusammenhänge auch noch nicht voll überschaue – – wie Sie vielleicht, Harst: Daß Sie Pagel einschüchtern wollten, merkte ich, nachdem er den Schnaps nach der Narkose bei sich behalten hatte. Sie haben ihn nun dadurch, daß die Beamten in der Nähe blieben, außer Gefecht gesetzt, er kann sich nicht rühren, – irgendwie wird er aber doch wohl mit den Leuten im Auto sich verständigen, fürchte ich.“

„Ich auch,“ bestätigte Harst. „Und deshalb, Lücke, rate ich Ihnen dringend, die Villa Gehrs in der Parkstraße Nr. 88 im Grunewald sofort einkreisen zu lassen, damit niemand hinaus oder hinein kann. Telephonieren Sie von mir aus an das Präsidium Wilmersdorf und an die nächstliegenden Polizeiwachen. Doch – alles muß unauffällig geschehen. Frau Anni Gehrs ist Pagels einziges Kind und interessierte sich ebenfalls für den Gobelin.“

Wir standen in dieser regennassen Finsternis beieinander, – keiner sah das Gesicht seines Gegenübers, wir hörten nur unsere Stimmen. – Lücke erwiderte ganz schlicht – ohne jede Anmaßung: „Frau Gehrs und die Villa werden bereits beobachtet. Ich habe freilich nur zwei Leute dort. Ich werde sie auf ein Dutzend verstärken. Auch ich habe an Anni Gehrs gedacht, lieber Harst.“

Wir betraten unseren Garten. –

Es war sieben Uhr geworden. Froest und wir beide befanden uns oben im Laboratorium, wo Harst soeben den unteren Streifen des Gobelins, den zerfaserten Lappen, mühsam mit Zwirn ein wenig zusammengeflickt hatte. Das abgeschnittene Stück war bereits trocken geworden, war abgebürstet, wurde nun an die Wand genagelt.

Der Oberinspektor und ich saßen lediglich als Zuschauer seitwärts in den ausrangierten Klubsesseln, die hier für das Laboratorium noch gut genug waren. Vor [51] uns stand der elektrische Ofen, denn es war nur mäßig warm in dem großen Raum, der schon so manches eigenartige Experiment mit erlebt hatte.

Harst rückte die große Kamera näher, schaltete die Jupiterlampen ein, und machte sechs Aufnahmen von dem Gobelinstück, indem er von links beginnend immer nur einen Teil photographierte. Dann zog er sich mit den Platten 13:18 in die Dunkelkammer zurück, Froest durfte sich jetzt eine Zigarre anstecken, ich auch, – der Burgunder schmeckte gleichfalls, und der Oberinspektor meinte mir zuprostend: „Also enthält der Gobelin doch eine Inschrift. Es ist für mich ein Genuß, Ihren Freund arbeiten zu sehen, es liegt Methode in seinem Vorgehen, – – sahen Sie übrigens am Tage das verwaschene Schild an der Zauntür des Zwischengrundstücks?“

„Nein …“

„Harst sah es sicherlich. Die Aufschrift war schwer zu entziffern, – es stand „Gehrs“ darauf.“

Ich starrte ihn überrascht an. Froest befühlte wieder seinen Unterarm … „Er schmerzt etwas … Nun, wir haben ihn ja vorhin frisch verbunden … – Ja, Gehrs stand darauf, das Grundstück gehört also dem Herrn Direktor Doktor Gehrs.“ Er nippte an seinem Glase.

„Ich möchte nur wissen, Schraut, weshalb Harst dem alten Pagel nicht mehr traute. Vielleicht wurde er stutzig, als wir den Alten gefesselt fanden und der Mann die Bewußtlosigkeit nur vortäuschte … Er war nicht bewußtlos. Der Puls ging sehr kräftig und sehr beschleunigt. Der Mann war erregt, und in der Narkose hätte er unsere Anwesenheit nicht bemerkt. Ja, es ist wohl ein Stück sehr feiner Arbeit, die Ihr Freund hier bewerkstelligt hat. Wir Polizeileute gehen im Grunde stets nach demselben Schema vor. Wir haben einen Riesenapparat von Helfern zur Verfügung, wir haben Polizeifunk, ein Telephonnetz, Agenten in Zivilberufen, Halbweltdamen [52] als tadellose Spürnasen, – Ihr Freund hat nur sich selbst und … Sie, mein lieber Schraut. Man sollte das nie vergessen. Nicht jeder Kriminalfall eignet sich für ihn. Ich freue mich aufrichtig, ihn auf meine alten Tage doch noch mal bei der Arbeit beobachtet zu haben. Seine photographischen Aufnahmen soeben erinnern mich übrigens an meine eigene Methode. Mir war zum Beispiel die Momentkamera stets ein nützlicher Begleiter. Auch hier in Berlin, auch heute, – wollen Sie die Aufnahmen sehen? – Hier sind sie … Bitte, – betrachten Sie dieses Bild … Es zeigt Gorry Banks, den Beauftragten Heloises, beim Eintritt in des Ziegenvaters Garten am Vormittag. Ich stand hinter der Pumpe, er sah mich nicht …“

Ich beugte mich näher der Lampe zu. Ich bemerkte sofort, daß die Aufnahme eine Besonderheit verriet. „Froest, Banks hat ja kein Futteral mit Golfstöcken bei sich!“ rief ich verblüfft.

„Nein, leider nein, – und leider ist mir das erst zu spät aufgestoßen.“

„Also konnte Banks auch kein Luftgewehr bei sich gehabt haben, es sei denn unter dem Mantel!“

„Über den Punkt bin ich mir längst klar,“ meinte der Oberinspektor bedächtig. „Jaromir Zwancza hat Sie beide belogen, und Pagel auch. Jaromir wurde nie durch eine Zigarette betäubt. Banks feuerte niemals auf Pagel. Es wurde überhaupt nicht geschossen. Harst weiß das natürlich ebenso gut wie ich. – Bitte – betrachten Sie hier meine zweite Aufnahme … Sie sehen, daß Banks gerade das Haus des Ziegenvaters verläßt … Was sehen Sie noch?“

„Am Fenster Zwanczas verzerrtes Gesicht … wutverzerrt …“ – Ich fieberte förmlich. „Und dann ganz hinten noch eine kleine Figur auf dem Grundstück, das die Front nach dem Parallelweg hat …“

[53] „Ja, die Gestalt ist leider recht verschwommen und winzig, aber der Mann trägt einen kurzen Sportpelz mit dunklem großen Kragen … Das verrät ihn. Es ist Doktor Kurt Gehrs, Direktor, Villenbesitzer, Gatte von Anni, geborene Pagel …“

Der Oberinspektor schwieg und zeigte mir ein drittes Bild. „Bitte – die Villa Gehrs, das Auto vor der Tür, der Herr Doktor beim Einsteigen, am Steuer seine Frau … und er im Sportpelz, – Aufnahme von heute ein Uhr fünfzig nachmittags.“

Mir blieb der Atem weg …

„Halten Sie Gehrs für Banks’ Mörder, – wirklich?“

„Sie denken in Sprüngen, Schraut, – aber dieselben Sprünge tat wohl auch Harst. Ja, jetzt weiß ich, daß dieser schlanke, fixe, patente Herr von knapp fünfundvierzig Jahren den Gauner und Dieb Gorry Banks im Atelier von Heloise Saalfield erwartete, erstach und durch den Hof und durch das Hauptgebäude flüchtete. Wenn Sie mich aber fragen, weshalb er zum Mörder wurde, da muß ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben. Sicher ist, daß Gehrs pekuniäre Lage miserabel ist, das heißt, sein Einkommen entspricht in nichts seinen Ausgaben. Woher hat er das Geld?!“

Harst trat ein … Und wenige Minuten drauf erschienen auch Lücke und seine Schützlinge Heloise und Lord Richard. – Harst begrüßte sie lediglich durch eine Verneigung, – die feindlichen Verwandten nahmen in weitem Abstand voneinander Platz, dann begann Harald mit stark betonter Sachlichkeit: „Da weder Sie, Miß Saalfield, noch Ihr entfernter Vetter sich dazu bequemen wollen, über die Wichtigkeit des Gobelins sich zu äußern, müssen wir versuchen, die Dinge in das richtige Licht zu rücken. Dort hängt der Unterteil des Gobelins, – diese Kamera ist gleichzeitig Projektionsapparat, [54] ich habe den Streifen Gobelin photographiert, ich werde nun die Aufnahmen auf jenem weißen Rahmen stark vergrößert erscheinen lassen. So wird der Gobelin seine Inschrift hergeben, obwohl Gustav Pagel und Jaromir Graf Zwancza mit größter Sorgfalt die versteckt und nachträglich eingestickten Buchstaben sorgsam entfernt haben, wobei sie nur vergaßen, daß die Stellen, wo diese Fäden saßen, von der Luft und der Sonne nicht so stark ausgezogen wurden wie die übrigen Teile. Das menschliche Auge, selbst das Vergrößerungsglas, kann derartige geringe Farbunterschiede nicht wahrnehmen, aber die photographische Platte und entsprechende Vergrößerung werden die Flecken zeigen – genau wie bei gefälschten Wechseln, Schecks, falschen Banknoten und so weiter …“

Richard Saalfield war plötzlich aufgesprungen.

„Ich … ich habe an dieser Vorführung kein Interesse mehr …“ stammelte er verlegen. „Nein, ich will nichts mehr mit alledem zu tun haben! Dieser unselige Prozeß begann, als mein Vater noch lebte, – und meine Mutter blieb die treibende Kraft, die mich weiterhin in diese abscheuliche Geschichte hineinhetzte. Ich war ein Narr, – ich habe mich schwer an euch vergangen, Heloise, – – heute ist mir das alles klar geworden, als ich einsam in der Zelle hockte und meine Schußwunde in der Wade mich bitter daran gemahnte, wie sehr ich mich selbst verloren hatte …! Verzeihe mir, Heloise, – glückliche Kindheitserinnerungen verbinden uns noch immer, das elende Geld hat uns getrennt, – – kannst du mir verzeihen?“

Heloise Saalfield schaute ihn lange an. Aber ihre strengen Blicke wurden weich, ihre Stimme klang fast zärtlich, als sie erwiderte: „Ich verzeihe dir gern … Wir werden erst sehen, was der Gobelin zu sagen hat.“

Und das Licht erlosch, auf der weißen Leinwand erschien [55] eine Gruppe Felsen, Gestrüpp, ein verkrümmter Baum … In den Felsen hoben sich verschwommen lateinische Buchstaben ab …

Bild folgte auf Bild. Buchstaben fehlten hier und dort, aber sie ließen sich unschwer ergänzen.

Der Gobelin hatte sein Geheimnis preisgegeben.




[56]
8. Kapitel.
Der Nachlaßverwalter.

… Zwei Autos gleiten die regenglänzenden Straßen entlang, halten vor der Villa Gehrs. Ein Diener öffnet die Tür des Hauses, erklärt bestürzt, daß die Herrschaften nachmittags im Auto in die Stadt gefahren und noch nicht wieder heimgekehrt seien. – Lücke sagte grob: „Sie lügen, alter Freund. Ich bin Kriminalkommissar Doktor Lücke …“ – der Diener gibt den Weg frei, starrt uns verwundert an: Fünf Herren, eine junge Dame, – er hat diese Gäste noch nie gesehen.

Wir gehen leise durch die vornehme Diele, – der Diener deutet auf eine Tür …

„Die Herrschaften haben sich eingeschlossen und wollten nicht gestört sein,“ flüstert er …

Lücke faßt nach dem Türdrücker, aber Frank Castle Froest schiebt ihn beiseite, stemmt sich gegen die Tür, holt Luft, – – ein Krach, und dieser fabelhafte Engländer, der noch immer die Kraft eines Stieres besitzt, sprengt die Tür auf.

In dem Arbeitszimmer Doktor Gehrs’ kniet vor dem Schmuckkamin eine blonde üppige Frau … Es riecht nach verbranntem Papier, – – der Hausherr ist leichenblaß in den Schreibsessel gesunken.

„Sie hätten die Korrespondenz mit Ihrem Bruder früher vernichten sollen,“ sagte Harst ironisch. „Wie geht es dem Herrn Rechtsanwalt James Gehrs in Johannesburg, Südafrika? Verwaltet er als Nachlaßpfleger noch immer das Millionenerbe des Robert Saalfield?! Ein gutes Geschäft, diese Diamantenmine Fafnertown – auch für Sie, Doktor Gehrs! Ihr Bruder war sehr großzügig [57] mit seinen Geldsendungen … Aber so zahlreiche Einschreibebriefe aus Johannesburg fallen auf, und meine Anfrage beim Postamt war nicht umsonst, ich lernte so Ihren Bruder kennen, von dem hier niemand mehr etwas weiß, – Engländer geworden, Anwalt, übelster Deutschenfresser, moderner Renegat, modernster Schieber, – Sie sehen, wir sind im Bilde.“

Gehrs war im Schreibsessel völlig zusammengesunken. Die helle Hornbrille war ihm bis auf die Nasenspitze gerutscht. Seine schmalen Hände flatterten, ein Bild vollkommenen Zusammenbruchs. – Anders seine Frau, – sie war emporgesprungen, nur um ihre Nasenflügel zeichneten sich scharf zwei weiße Flecke ab. „Wenn mein Schwager James ein Betrüger sein sollte,“ sagte sie mit herausfordernder Heuchelei, „dann sind wir doch nicht dafür verantwortlich! Uns kann niemand etwas vorwerfen, wir …“

Harsts eisiger Blick verwirrte auch dieses Weib, das den Luxus und den schrankenlosen Lebensgenuß über alles liebte. „Ich werfe Ihnen vor, Ihren Vater, einen bis dahin ehrenwerten Mann, mit in Ihre schmutzigen Geschichten hineingezogen zu haben,“ sagte Harst fast wehmütig. „Gustav Pagel war uns ein lieber Freund, – Ihnen galt er nichts mehr, Sie schämten sich seiner, bis der Gobelin wieder eine Rolle zu spielen begann und er als Vater sein einziges Kind zu decken suchte. Ich werfe Ihnen weiter vor, um den Mord an Banks gewußt zu haben. Mord, Frau Gehrs, – und Ihr Gatte der Mörder.“

Aus dem Schreibsessel kam ein dumpfes, qualvolles Gurgeln. Kurt Gehrs starrte mit glasigen Augen vor sich hin. Seine Lippen zuckten, – es war kläglich, daß er’s noch mit einem heiseren Auflachen versuchte und mühselig hervorpreßte: „Das ist … Lüge, Unsinn …! Beweisen Sie mir etwas, – ich bin unschuldig, ich …“

[58] Froest trat plötzlich zu ihm und hielt ihm eine Photographie unter die Augen. „Da – das sind Sie, – heute vormittag im Sportpelz – – hinten auf dem anderen Grundstück! Sie waren bei Jaromir Zwancza, als Banks zu ihm kam. Sie hörten vom Schlafraum aus mit an, daß Banks wahrscheinlich nach den von Pagel abgeschnittenen Gobelinstücken fragte … Banks wußte sehr viel, Leute wie Banks ermitteln alles, das liegt nun einmal in ihrem Beruf. – Ihr Bruder James hätte den Gobelin gleich nach Robert Saalfields Tod an das Londoner Nachlaßgericht schicken müssen, da beide Erben schon vorher von der Existenz und Wichtigkeit des Wandbehangs verständigt worden waren. Aber James hatte triftige Gründe, dem Gericht mitzuteilen, daß der Gobelin verschwunden sei, und die Londoner Behörde mußte sich mit diesem Bescheid zufriedengeben. Ihr Bruder sandte Ihnen den Gobelin, er wollte ihn nicht vernichten, aber auch nicht bei sich behalten, – das Ding könnte einmal doch noch irgendwie nützlich werden, kalkulierte er. Eine Einigung der Prozeßparteien wußte er stets durch Hinweis auf den Gobelin, der vielleicht erst den richtigen Erben benennen würde und wieder auftauchen könnte, zu hintertreiben. Die Nachlaßverwaltung war ja die Milchkuh, von der Sie alle in Üppigkeit lebten. Also Sie bekamen den Gobelin, Sie kannten die eingestickten Sätze, Sie wollten ihn jedoch nicht in Ihrer Villa aufbewahren und bestachen den Trödler Wasserberg zu einem Scheingeschäft, um sich für alle Fälle für später den Rücken zu decken. So kam der Wandbehang zu Pagel, – und mit Ihres Schwiegervaters Seelenfrieden war’s von Stund an vorbei. Die ganze Wahrheit kannte er noch nicht, er ahnte nur, daß irgend etwas bei alledem nicht stimmte. – Ein Zufall führte dann Heloise Saalfeld ihrer Malstudien wegen nach Berlin, sie wußte, daß James Gehrs hier einen Bruder hatte, [59] sie ging häufig in der Laubenkolonie spazieren, sah einmal das verwaschene Namensschild an dem verwahrlosten Garten, kam mit Pagel ins Gespräch, erblickte in dessen Stube den Gobelin, erkannte ihn als altes wertvolles Stück, schrieb dies ihrem Vater, der ihr dann den mißratenen Sohn seines Hausmeisters als Helfer hierher schickte, – – und so kam der Stein ins Rollen. – Wollte ich Ihnen all das vorhalten, was Harst uns vor einer halben Stunde in seinem Laboratorium entwickelte, – wollte ich die absichtlich hingelegten Sicherheitsnadeln, den absichtlich vergifteten Schnaps, der doch nur den Eindruck höchster Gefahr für Pagel schlau verstärken sollte, – wollte ich die klare Kette streng logischer Schlußfolgerungen Harsts hier noch weiter ausspinnen, würde ich mich mit fremden Federn schmücken. Festgenagelt sind Sie bereits, Doktor Gehrs! Sie verließen Zwanczas Häuschen nach hinten zu, eilten Banks voraus, der Heloise Bericht erstatten wollte, – Sie drangen mit einem Nachschlüssel in das Atelier ein, Sie verübten die Tat, flüchteten durch das Vorderhaus, gleich darauf erschienen Heloise und Professor Huber, – Sie waren hinter mir her mit Ihrer Luftbüchse, – zwei besaßen Sie seit langem, in Ihrem Garten haben Sie einen Scheibenstand, – die eine diente zum Vortäuschen des Schusses auf Pagel, die Golfstöcke gehören Ihnen, – Die zweite Büchse sollte dann Lord Richard in Verdacht bringen. – Sie hatten den klaren Kopf verloren, Sie machten Dummheit über Dummheit, Ihr letzter Versuch, Ihre Gegner auszulöschen, war die Dynamitpatrone … – Mag Ihnen Doktor Lücke nun den Schlußsatz mitteilen!“

Der Satz war kurz: Verhaftung, Handschellen, – dann stille eilige Fahrt in das Laubengelände, Harst und ich in einem Auto mit Heloise und Richard Saalfield, die Hand in Hand uns gegenübersaßen. – Noch [60] war nicht alles geklärt, noch blieb ein geringer Rest, den nur Graf Zwancza oder Pagel deuten konnten.

Die letzte Strecke gingen wir zu Fuß. Einer der Beamten, die hier wachten, trat aus dem Baumschatten auf Lücke zu. „Herr Kommissar, die beiden haben ihre Häuschen nicht verlassen, es brennt Licht in den Wohnräumen, wir haben scharf achtgegeben. Zwanczas Hund hat die Wurst gefressen und wird erst morgen ausgeschlafen haben.“

Der Himmel weinte weiter über diese Tragödie der Habgier. Das Ehepaar Gehrs schlich zwischen uns dahin, – zwei armselige Kreaturen einer Zeit, die nur das Wohlleben um jeden Preis zu erschleichen trachtet. Wir betraten Zwanczas Garten, standen vor dem dicht verhängten Fenster, an den Seiten schimmerten trotzdem Lichtstreifen, und wenn die Regenböen einmal aussetzten, vernahmen wir schwaches Stimmengemurmel und das gelegentliche Kreischen der zahmen Dohle.

Als Lücke an die Scheibe pochte und Einlaß begehrte, zog Harst mich rasch von den übrigen fort. „Komm’ mit, mein Alter … Ich will dir zeigen, weshalb an der Teertonne auf dem Gehrs’schen Grundstück keine Spuren zu sehen waren.“ Wir stiegen über den niederen Drahtzaun, aber ein dritter stieg mit uns und meinte: „Lassen Sie den alten Froest nur mitmachen. Ich weiß, daß die Geschichte des Gobelins noch einen zweiten Schwanz hat.“

Die Tür der elenden Bretterbude wurde geöffnet. Harst leuchtete umher. Möbelgerümpel – sonst nichts. Aber er schob den löcherigen Teppich mit dem Fuß beiseite und deutete auf die schmierigen Holzdielen. „Jaromir Zwanczas Heimatsehnsucht verirrte sich auf dunkle Pfade.“ Er schob die Messerklinge in eine Ritze und hob eine Falltür empor. „Es mußte eine Verbindung zu Zwancza geben … Klettern wir hinab.“ – Die Leiter, [61] die in dem engen Schacht lehnte, endete in einem abgestützten Gang, der nach Nordost lief, und das war des Grafen Richtung. Wir hörten in der Ferne ein dumpfes Poltern, Harst schaltete die Lampe aus, ein dünner Lichtstrahl zuckte vor uns auf, und Gustav Pagel kam atemlos angekeucht, stutzte, seine Hand sank, er lehnte sich an die Bretterverschalung, – eine müde Stimme sagte trostlos: „Es ist ja nun alles vorbei … Sie werden es mir nicht glauben, – ich wäre noch heute zu Ihnen gekommen … Soeben habe ich mit Zwancza abgerechnet, – weiß Gott, Doktor Lücke bewahrte mich vor einem Totschlag …“

Harsts Lampe umspielte seine verfallenen Züge. „Sie wußten bis heute nichts von diesem Gang, Pagel, – ich dachte es mir … Ihr Schwiegersohn erhielt auch sehr viele Pakete aus Johannesburg, Inhalt stets Negerraritäten, alte Waffen, dergleichen. Die Fafnertown-Mine lieferte so auch gut versteckte, unverzollte Steine nach Deutschland. Anwalt James Gehrs als Engländer war über jeden Verdacht erhaben. Sein Bruder hätte nur nicht die Unvorsichtigkeit begehen sollen, eine der Kisten für die Batterie zu benutzen. In Deutschland fertigt man keine Kisten aus Kampferbaumholz. Ich denke, hinter dieser Gangverschalung dürfte ein Vermögen noch nicht abgesetzter Diamanten liegen.“

Pagel stierte ihn wortlos an. Nein, – er war so weit nicht eingeweiht, die Geschäfte hatte Doktor Gehrs allein mit Zwancza gemacht.

„Ich … werde alles sagen,“ erklärte er verzweifelt. „Lieber Gott, – die Anni setzte mir so zu mit Bitten und Tränen … Man sollte als Vater hart bleiben, aber das Blut, das gemeinsame Blut ist stärker, – ich hatte nur das eine Kind, und ich wurde … ein Lump. – Kommen Sie mit, – ich werde nicht lügen. Das [62] Grauen würgt mir in der Kehle … Mein Schwiegersohn ein Mörder … mit Handschellen, – – das ist nun der Abschluß eines langen, langen ehrlichen Lebens!“

In seinem Stübchen hockte er in der Sofaecke, über ihm die kahle Wand, wo einst der Gobelin hing. – „Gehrs merkte, daß Sie hinter ihm her waren, Herr Froest,“ erklärte er trostlos. „Und dann griffen die Räder des Schicksals oder des Zufalls ineinander und brachten all das Unselige in Gang. Als Sie beide heute vormittag den Weg daherkamen, packte mich die Angst … Ich hatte auch Mr. Froest bemerkt, – ich ließ mich vornüberfallen, ich riß mir selbst die Stirnhaut auf mit einem Glasscherben … Es war so die Eingebung des Augenblicks, ich fürchtete Sie, ich wollte Zeit gewinnen, Mitleid erregen … Den Gobelin hatte ich abgenommen und versteckt, als ich Mr. Froest trotz des Vollbartes erkannte. Und – Lug und Trug reihten sich zwangsläufig aneinander … Ich schwatzte zu viel, – die abgeschnittenen Stücke mußten scheinbar gestohlen werden, – Gehrs war bei mir, nach Ihnen, Gehrs befahl mir, die Fäden auszuzupfen, die … Inschrift …“ In den trüben Augen des Alten glänzten Tränen. „Aber – an all dem anderen, an diesen blutigen Dingen, habe ich keinen Teil, das schwöre ich Ihnen. Meine Schuld ist meine Schwäche als Vater, – Anni wollte mir Geld geben, hinausgeworfen hab’ ich sie, in Todesangst schwebte ich, daß alles an den Tag käme!“

„Ich weiß – und ich glaube Ihnen,“ sagte Harst und drückte des alten Mannes Hand. „Trösten Sie sich mit dem Gedanken, daß Ihr Kind das Opfer einer Zeit der Gärung wurde, einer Zeit, die erst neue Epoche werden will. Viele straucheln, sinken, die Umwertung aller Werte fordert eben Opfer, bis das wieder Wert gewinnt, was jedem Richtschnur sein sollte: Bescheiden für die Gesamtheit leben, die Selbstsucht zurückstellen! – [63] Hätte jener Sonderling dort in Südafrika ahnen können, was er mit seinem phantastischen Scherz, zwei Erben gleichzeitig einzusetzen und beiden durch James Gehrs Briefe schreiben zu lassen, die auf einen alten Gobelin als seine endgültige Willensäußerung hinwiesen und die von den Parteien sehr gegensätzlich gedeutet wurden, was er mit diesem Scherz anrichtete, der doch nur dem Bestreben entsprang, die beiden Saalfield-Linien durch Heloise und Lord Richard wieder zu vereinen, – hätte er James Gehrs nicht so blindlings vertraut und damit gerechnet, daß dieser als Nachlaßverwalter alles daran setzen würde, diese Verwaltung recht lange zu behalten, so wäre nie ein Riesenprozeß Saalfield kontra Saalfield entstanden, dann hätte es nie einen Fall „Gobelin“ gegeben, dann würden Sie, mein alter Freund, nie auf diesen schlüpfrigen Pfad geraten sein.“

Draußen erklangen Stimmen … Die Tür ging auf, – eine weinende Frau sank vor einem alten Manne in die Knie, – – man sagt, daß Reue nie zu spät kommt.

Unter meinen Notizen liegt ein Zettel, eine Abschrift dessen, was Robert Saalfield einst eigenhändig und versteckt in den Unterteil des Gobelins hineinstickte:

Ich bin ein einsamer Mann geblieben trotz meines Reichtums. Aber ich bin stolz auf den Namen, den ich trage und der drüben in der alten Heimat in zwei Teile gespalten ist. Mögen Richard und Heloise, deren Briefe mich allzeit erfreuen, unser Geschlecht durch eine glückliche Ehe wieder zu einer Linie vereinen, dann wird auch mein Erbe Euch allen zum Segen gereichen. Das ist mein Wunsch und Wille. – Gott mit Euch. – Robert Saalfield.

Ich habe mich oft gefragt, ob dieser Sonderling nicht doch in dem einen Punkte ein guter Menschenkenner war, daß er seinen Herzenswunsch mit dem geheimnisvollen [64] Schimmer der Romantik eines sprechenden Gobelins umgab. Liebe erblüht so leicht auf einem besonders bereiteten Acker im Reiche des Ungewöhnlichen.

Hierin hatte Robert Saalfield sich jedenfalls nicht verrechnet.




Nächster Band:

Banditen des Olymp.



Druck: P. Lehmann, G. m. b. H., Berlin SO 16.




[Verlagswerbung]

Weitere Ausgaben
unserer Harst-Abenteuer

01-6 vergriffen. 52. Der Tintenlöscher des Sahdi Ahmed.
07. Zwei Taschentücher. 53. Auf des Messers Schneide.
08. Die Jagd auf einen Namen. 54. Strandkorb Nr. 121.
09. Die Augen der Jolante. 55. Das Lichtbild ohne Kopf.
10. Der Fluch eines Geschlechts. 56. Das Haus in der Wildnis.
11. Die verschwundene Million. 57. Das Geheimnis des Brasilianers.
12. Die Festung des Ali Azzim. 58. Die Spielhölle von Hongkong.
13. Die tote Lady Rockwell. 59. Das Rätsel von Paragwana.
14. Der Fakir von Nagpur. 60. Ein amerikanisches Duell.
15. Der blinde Brahmane. 61. Die Gangespiraten.
16. Das Auge der Prinzessin Singawatha. 62. Eine Wettfahrt ums Leben.
17. Das Löschblatt von Amritsar. 63. Die Bäenjagd in Kashmir.
18. Die leuchtende Fratze. 64. Das Licht in der Lehmhütte.
19. Schattenbilder. 65. Der chinesische Messerwerfer.
20. Der Löwe von Flandern. 66. Die leere Tonne.
21. Der ewige Jude. 67. Die Gauklergesellschaft Shingra Mar.
22. Das Armband der Lady Melville. 68. Der Klub der Zuchthäusler.
23. Die Rätselbrücke. 69. Lord Ralleys Schreckensnächte.
24. Der Einsiedler von Tristan de Cunha. 70. Das Geheimnis der Insel Morton.
25. Die Siegellacktröpfchen. 71. Die Katzen der Gräfin Baltholm.
26. Die Gesellschaft der roten Karten. 72. Der Tote im Fahrstuhl.
27. Die Uhrkette des Bill Hamilton. 73. Die Höllenmaschine Doktor Blucks.
28. Der Tempel der Khali. 74. Das Geheimnis der Kabine 24.
29. Nur ein Tintenfleck. 75. Das Rätsel der Trollhätta-Insel.
30. Der Stern von Siam. 76. Lord Plemborns Verbrechen.
31. Eine leere Streichholzschachtel. 77. Die Leiche im Gletschertunnel.
32. Der sprechende Kopf. 78. Sechs leere Briefbogen.
33. Das Geheimnis des Scheiterhaufens. 79. Das Geheimnis des Elefantenjägers.
34. Die Gefangene von Trawalkor. 80. Lady Myntors letzter Wunsch.
35. Die Eishöhle in Nepal. 81. Der Giftpfeil des Wedda.
36. Der Mord im Warenhause. 82. Der Schlangenbeschwörer von Agra.
37. Der Spielklub W. W. 83. Das Patent des Doktor Murphison.
38. Ein gefährlicher Auftrag. 84. Die Buschklepper der Thar-Wüste.
39. Der sterbende Fechter. 85. Das blinde Hindumädchen.
40. Die Gespenster-Rikscha. 86. Die Wundergeige des Virtuosen.
41. Eine Löwenjagd im Sinai. 87. Der Geisterspiegel.
42. Der Afghan-Teppich. 88. Das Geheimnis des Wannsees.
43. Der Acht-Grad-Kanal. 89. Giftkonfekt.
44. Der leere Koffer. 90. Schatten an der Wand.
45. Acht Stunden Frist. 91. Der tote Zigeuner.
46. Der Klub der XII. 92. Das Rätsel der Schoneryacht.
47. Die Bajadere Mola Pur. 93. Die tote Karawane.
48. Der goldene Gonggong. 94. Das Wunder von Patna.
49. Die Kugel aus dem Nichts. 95. Frau Inges Tränen.
50. Der Piratenschoner. 96. Der tote Kanarienvogel.
51. Die Büchse der Pandora. 97. Der Obstkahn am Elisabethufer.

Anmerkungen (Verlag)

  1. Anmerkung des Verlages: Frank F. ist kürzlich im Alter von 73 Jahren in seinem Landhaus in Weston gestorben. 34 Jahre gehörte er als Oberinspektor Scotland Yard an. 1892 verhaftete er den Millionenbetrüger Balfour nach einer romantischen Jagd. Als er 1912 den Abschied nahm, erhielt er vom König Georg ein eigenhändiges Dankschreiben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Dr. Crippen ging in die Kriminalgeschichte als erster Verbrecher ein, der mit Hilfe der drahtlosen Kommunikation verhaftet werden konnte.
  2. Eigentlich Jabez Balfour (1843 – 1916)

Errata (Wikisource)

  1. Vorlage: mir mir
  2. Vorlage: ehrl (Wort unvollständig)
  3. Vorlage: ebenfals
  4. Vorlage: den
  5. Vorlage: Dezemberweiter