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65.
Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant.
Prätorius Weltbeschr. I. 106–108. 531–535.
Aehnlich in Bräuner’s Curiositäten. 34–36.

Eine hallische Wehmutter erzählte, daß folgendes ihrer Lehrmeisterin begegnet: diese wurde Nachts zum Thor, welches offen stand, von einem Manne hinaus an die Saale geführt. Unterwegs bedräute sie der Mann, kein Wort zu sagen und ja nicht zu mucksen, sonst drehte er ihr bald den Hals um, übrigens sollte sie nur getrost seyn. Sie gedachte an Gott, der würde sie behüten und ergab sich drein, denn sie ginge in ihrem Beruf. An der Saale nun that sich das Wasser auf und weiter hinunter auch das Erdreich, sie stiegen allmälig hinab, da war ein schöner Pallast, worin ein niedliches Weiblein lag. Der half die Wehmutter in Kindsnöthen, unterdessen ging der Mann wieder hinaus. Nach glücklicher Verrichtung ihres Amts, redete mitleidend das Weibchen: „ach liebe Frau, nun jammert mich, daß ihr hier bleiben müßt, bis an den jüngsten Tag, nehmt euch wohl in Acht; mein Mann wird euch jetzt eine ganze Mulde voll Ducaten vorsetzen, nehmt nicht mehr, als euch auch andre Leute zu geben pflegen für eure Mühwaltung. Weiter, wenn ihr zur Stube hinauskommt und unterwegs seyd, greifet flugs an die Erde, da werdet ihr Dosten[1] und


  1. Origanum vulg. Wohlgemuth.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)