Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 185.jpg

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hatte auch eine einzige Tochter, auf die er gar viel hielt und die wunderbare Gaben besaß. Nun kam einmal sein Feind, ein König, der hieß Grünewald und belagerte ihn in seinem Schlosse, und als die Belagerung lange dauerte, so sprach dem König im Schlosse seine Tochter immer noch Muth ein. Das währte bis zum Maientag. Da sah auf einmal die Tochter, wie der Tag anbrach, das feindliche Heer herangezogen kommen mit grünen Bäumen. Da wurde es ihr angst und bang, denn sie wußte, daß alles verloren war und sagte ihrem Vater:

Vater gebt euch gefangen,
der grüne Wald kommt gegangen!

Darauf schickte sie ihr Vater ins Lager König Grünewalds, bei dem sie ausmachte, daß sie selbst freien Abzug haben sollte und noch dazu mitnehmen dürfte, was sie auf einen Esel packen könnte. Da nahm sie ihren eigenen Vater, packte ihn drauf sammt ihren besten Schätzen und zog nun fort. Und als sie eine gute Strecke in einem fortgegangen waren, sprach die Königstochter: „hier wollemer ruhen!“ Daher hat ein Dorf den Namen, das dort liegt (Wollmar, eine Stunde vom Christenberg, in der Ebene). Bald zogen sie weiter durch Wildnisse hin ins Gebirg, bis sie endlich einen Flecken fanden; da sagte die Königstochter: „hier hat’s Feld!“ und da blieben sie und bauten ein Schloß und nannten es Hatsfeld. Dort sind noch bis auf den heutige« Tag die Ueberbleibsel und die Stadt dabei hat auch von der Burg den Namen.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_185.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)