Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 440.jpg

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Da kam ein Fräulein von dem Willberg, welcher Godelheim gegenüber liegt, herab, trat zu ihm und sprach: „bringt mir zwei Eimer voll Wasser oben auf die Stolle (Spitze) vom Willberg, dann sollt ihr gute Belohnung haben.“ Er trug ihr das Wasser hinauf; oben aber sprach sie: „Morgen um diese Stunde kommt wieder und bringt den Busch Blumen mit, welchen der Schäfer vom Osterberge auf seinem Hut trägt.“ Der Mann foderte den andern Tag die Blumen von dem Osterbergs-Schäfer und erhielt sie, doch erst nach vielem Bitten. Darauf ging er wieder zu der Stolle des Willbergs, da stand das Fräulein, führte ihn zu einer eisernen Thüre und sprach: „halte den Blumen-Busch vors Schloß.“ Wie er das that, sprang die Thüre gleich auf und sie traten hinein; da saß in der Berghöhle ein klein Männlein vor dem Tisch, dessen Bart ganz durch den steinernen Tisch gewachsen war, ringsherum aber standen große, übermächtige Schätze. Der Schäfer legte vor Freude seinen Blumen-Busch auf den Tisch und fing an, sich die Taschen mit Gold zu füllen. Das Fräulein aber sprach zu ihm: „vergeßt das Beste nicht!“ Der Mann sah sich um und glaubte, damit wäre ein großer Kronleuchter gemeint, wie er aber darnach griff, kam unter dem Tisch eine Hand hervor und schlug ihm ins Angesicht. Das Fräulein sprach nochmals: „vergeßt das Beste nicht!“ Er hatte aber nichts, als die Schätze im Sinn und an den Blumen-Busch dachte er gar nicht. Als er seine Taschen gefüllt hatte, wollte er wieder fort, kaum aber

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_440.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)