Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 464.jpg

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die Ueberreste. der ehemaligen Festen Schwarzkopf und Seeburg. Die Sage erzählt, daß jeden Tag, wann Dämmerung die Bergspitzen verhüllt, von der Seite des Seeburger Burghofes dreizehn Stück Rothwild zu einem Pförtchen herein, über den Platz, und zu dem entgegengesetzten flügellosen Burgthore hinaus eilen. Geübte Wildschützen bekamen von diesen Thieren immer eins, aber nie mehr in ihre Gewalt. Die andern Kugeln gingen fehl, oder fuhren in die Hunde. Kein Jäger schoß seit der Zeit auf ein anderes Thier, als das in diesem Zuge lief und sich durch Größe und Schönheit auszeichnete. Von diesem täglichen Zuge ist jedoch der Freitag ausgenommen, der deswegen den noch jetzt üblichen Namen Jäger-Sabbath erhielt und an welchem niemand die Seeburg betritt. Aber an diesem Tage, um die Mitternacht, wird eine andere Erscheinung gesehen. Zwölf Nonnen, in ihrer Mitte ein blutender Mann, in dessen Leib zwölf Dolche stecken, kommen durch die kleine Waldpforte in den Hof und wandeln still dem großen Burgthore zu. In diesem Augenblick erscheint aus dem Portale eine ähnliche Reihe, bestehend in zwölf ganz schwarzen Männern, aus deren Leibern Funken sprühen und überall brennende Flecken hervorlodern; sie wandeln dicht an den Nonnen und ihrem blutigen Begleiter vorüber, in ihrer Mitte aber schleicht eine weibliche Gestalt. Dieses Gesicht erklärt die Sage auf folgende Weise: in der Seeburg lebten zwölf Brüder, Raub-Grafen, und bei ihnen eine gute Schwester; auf dem Schwarzkopf aber ein

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_464.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)