Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 469.jpg

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Einsmals ritten etliche Edelleute, wohl bezecht, an dem Galgen vorbei, redeten von des Diebs Verschlagenheit und lachten darüber. Einer von ihnen war auch ein wüster und spöttischer Mensch, der rief hinauf: „o du behender und kluger Dieb, du mußt ja viel wissen! komm auf den Donnerstag mit deinen Gesellen zu mir zu Gaste und lehre mich auch Listigkeit.“ Deß lachten die andern.

Auf den Donnerstag, als der Edelmann die Nacht über getrunken hatte, lag er lang schlafend, da kommen die Diebe Glocke neun des Morgens mit ihren Ketten in den Hof, gehen zur Frau, grüßen sie und sagen, der Junker habe sie zu Gast gebeten, sie solle ihn aufwecken. Dessen erschrickt sie gar hart, geht vor des Junkers Bett und sagt: „ach! ich habe euch längst gesagt, ihr würdet mit euerm Trinken und spöttischen Reden Schande einlegen, steht auf und empfanget eure Gäste;“ und erzählt, was sie in der Stube gesagt hätten.

Er erschrickt, steht auf, heißt sie willkommen und daß sie sich setzen sollten. Er läßt Essen vortragen, so viel er in Eile vermag, welches alles verschwindet. Unterdessen sagt der Edelmann zu dem Pferdedieb: „lieber, es ist deiner Behendigkeit viel gelachet worden, aber jetzund ist mirs nicht lächerlich, doch verwundert mich, wie du so behend bist gewesen, da du doch ein grober Mensch scheinest.“ Der antwortet: „der Satan, wann er sieht, daß ein Mensch Gottes Wort verläßt, kann einen leicht behend machen.“ Der

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_469.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)