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Geisterleben.

Von Dir getrennet, lieg’ ich wie begraben,
Mich grüßt kein Säuseln linder Frühlingslüfte;
Kein Lerchensang, kein Balsam süßer Düfte,
Kein Stral der Morgensonne kann mich laben.

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Wann sich die Lebenden dem Schlummer gaben,

Wann Todte steigen aus dem Schooß der Grüfte,
Dann schweb’ ich träumend über Höh’n und Klüfte,
Die mich so fern von dir gedränget haben.

Durch den verbotnen Garten darf ich gehen,

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Durch Thüren wandl’ ich, die mir sonst verriegelt,

Bis zu der Schönheit stillem Heiligthume.

Erschröckt dich Geisterhauch, du zarte Blume?
Es ist der Liebe Wehn, das dich umflügelt.
Leb wohl! ich muß in’s Grab, die Hähne krähen.

 Uhland.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)