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2.

Sängerlohn.

Der Schäfer hütet seine Heerde
Durch frühen Thau, durch Mittagsglut,
Und weiß von keinerlei Beschwerde,
Denn auf was Höh’res steht sein Muth.

5
Dort ob den alten Schlosseshalden

Zeigt sich ein Rasengrab und Stein;
Da grub die Urzeit einen Skalden,
Den besten aller Meister, ein.

Und gerne will der Hirt beginnen

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Ein Lied zu dessen Preis und Ruhm,

Schon oft saß er im tiefen Sinnen
Auf jenes Grabes Heiligthum.

Doch was er denken mag und ringen,
Es bleibt ihm bei der bloßen Lust;

15
Viel Vögel hört er ringsum singen,

Kein Lied erwacht aus seiner Brust.

Er geht zu Feld, er geht zu Walde,
Kehrt sinnend wiederum nach Haus;
Oft fängt er an: hier liegt ein Skalde,

20
Und damit ist sein Singen aus.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)