Seite:Deutscher Dichterwald 253.jpg

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Der Königssohn, zu wissen,
Ob Leben in dem Bild,

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Thät seine Lippen schließen

An ihren Mund so mild;
Er hat es bald empfunden
Am Odem, süß und warm,
Und als sie ihn umwunden,

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Noch schlummernd, mit dem Arm.


Sie streifte die goldnen Locken
Aus ihrem Angesicht,
Sie hob, so süß erschrocken,
Ihr blaues Augenlicht.

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Und in den Nischen allen

Erwachten Ritter und Frau,
Die alten Lieder hallen
Im weiten Fürstenbau.

Ein Morgen, roth und golden,

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Hat uns den Mai gebracht;

Da trat mit seiner Holden
Der Prinz aus Waldesnacht.
Es schreiten die alten Meister
In hehrem, stolzem Gang,

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Wie riesenhafte Geister,

Mit fremdem Wundersang.

Die Thäler, schlummertrunken,
Weckt der Gesänge Lust;
Wer einen Jugendfunken

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Noch hegt in seiner Brust,
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_253.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)