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Maschinenbauräte, Verkehrsdezernenten, Stadtmedizinalräte und ähnliche Magistratsmitglieder oder Beigeordnete neu hinzutreten. Das hatte dann wiederum, zumal bei der Kollegial-Verfassung die Folge, daß auch die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder entsprechend vermehrt werden mußte. So sind die Mitgliederzahlen der Verwaltungskollegien, zumal in den großen Städten, vielfach mehr gewachsen, als es im Interesse der Übersichtlichkeit und einheitlichen Leitung der Geschäfte hier und da vielleicht erwünscht sein mochte.

Erhöhte Anforderungen an das Ehrenamt.

Daneben hat es der stetig an Umfang wie an innerer Bedeutung wachsende Beschäftigungskreis der Selbstverwaltung mit sich gebracht, daß die Anforderungen an die Kraft und damit auch die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Betätigung in ihr immer höhere geworden sind. Geht die Zahl der ehrenamtlich Tätigen schon in mittleren Städten oft in die Hunderte, so wächst sie in den großen Verwaltungen oft in viele Tausende, und weite Kreise werden vielleicht kaum eine richtige Vorstellung davon haben, wie unendlich groß die Opfer an Zeit und Kraft, ja an Geld und Gut sind, die tagaus tagein von vielen Tausenden in den verschiedensten Ehrenämtern der Selbstverwaltung zum Besten der Allgemeinheit willig dargebracht werden. Und solche Tätigkeit beschränkt sich bekanntlich keineswegs mehr auf die Männer. In immer ausgedehnterem Maße sind auch die Frauen zur ehrenamtlichen Mitarbeit herangezogen worden. In der Armen-, Waisen- und sonstigen Wohlfahrtspflege jeder Art, im Schulwesen, in Arbeitsämtern, Rechtsauskunftstellen, Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege haben sie in den letzten Jahrzehnten in immer steigender Zahl zum größten Nutzen der Gesamtheit uneigennützig mitgewirkt und mit dazu beigetragen, den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich hier und da wohl in der Gewinnung der erforderlichen Anzahl ehrenamtlicher Kräfte bemerkbar gemacht haben. Es ergaben sich solche einerseits begreiflicherweise aus der Fülle der Anforderungen, die zumal in den eigentlichen Vertretungskörperschaften auch an das Ehrenamt gestellt werden müssen. Andererseits hat sicherlich auch die starke Verschärfung der Gegensätze im öffentlichen Leben manchen, an sich dazu Bereiten von der Annahme eines Ehrenamtes in der Selbstverwaltung abgehalten. Daß das vielfach zu beobachtende Hervortreten parteipolitischer Agitation, insbesondere das immer stärkere Eindringen der Sozialdemokratie in die Selbstverwaltungskörperschaften, mit der grundsätzlich völligen Rücksichtslosigkeit ihres Vorgehens in der Kritik wie im Drängen auf ihre Sonderziele, in solcher Richtung nicht gerade günstig gewirkt hat, wird nicht zu bestreiten sein. Solch’ ungünstiger Einfluß darf andererseits auch nicht – wie es leider infolge mangelnder näherer Kenntnis der Verhältnisse vielfach geschieht – überschätzt werden. Mitarbeit an den Dingen des gemeinsamen Lebens, mit allen dem menschlichen Wesen nun einmal anhaftenden Unvollkommenheiten, hat noch meistens dahin geführt, auch mit diesem Leben rechnen zu lernen. Und daß nicht wenige fähige, auf manchen Gebieten auch zu gemeinnütziger Mitarbeit im allgemein bürgerlichen Sinne bereite Männer auch aus den Reihen der Sozialdemokratie in die Selbstverwaltung hineingelangt sind, wird von den mit ihren Verhältnissen Vertrauten gerechter

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/209&oldid=- (Version vom 4.8.2020)