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wurde. Die Zahl der Abteilungen wurde allmählich – abgesehen von zwei kriegsgeschichtlichen – bis auf zehn vermehrt. Daneben bestanden die trigonometrische, topographische und kartographische Abteilung, die dem Chef der Landesaufnahme unterstehen. Zur Erleichterung des Aufmarsches wurden Eisenbahnkommissare geschaffen, und die Linien bis auf 26 vermehrt. 1898 wurde der Nebenetat beseitigt, und die ihm angehörenden Offiziere größtenteils dem Hauptetat überwiesen, um den Mehrbedarf an Generalstabsoffizieren im Mobilmachungsfall decken zu können. Da auch die Oberquartiermeisterstellen vermehrt wurden, war der Bestand des Generalstabes im Herbst 1912 folgender: Unter dem Chef des Generalstabes der Armee mit 2 Adjutanten wirkten 6 Oberquartiermeister, 39 Chefs und 217 sonstige Offiziere des Generalstabes, 1 Chef und 18 Offiziere als dem Generalstab zugeteilt, 19 Offiziere in der Eisenbahnabteilung, die nicht Generalstabsoffiziere sind, 124 Offiziere, die zum Generalstab und 11, die zur Landesaufnahme kommandiert sind, 10 inaktive Offiziere und 22 Linienkommandanten.

Von diesen Offizieren gehört ein Teil dem Truppengeneralstab, ein anderer dem Großen Generalstab an. Die Vorbildung zum Generalstab erfolgt auf der ebenfalls erweiterten Kriegsakademie, die allerdings den Charakter einer freien Akademie mehr und mehr verloren hat und zu einer fachmännischen Generalstabs-Vorbereitungsschule geworden ist.

Der sächsische und der bayerische Generalstab haben sich in ähnlichem Sinn entwickelt wie der preußische.

Wenn im vorstehenden äußeres Wachstum und Organisation der Armee in großen Zügen geschildert wurden, so muß nun auch ihre Kampfweise und geistige Entwickelung beleuchtet werden, um ein einigermaßen zutreffendes Bild von dem Wesen des Heeres zu erhalten.

Fechtweise und Ausbildung.

Die Fechtweise hat – vornehmlich infolge des modernen Waffenwesens – bei allen Waffen tiefgreifende Veränderungen durchgemacht, die in zahlreichen neuen Reglements zum Ausdruck gekommen sind.

Bei der Infanterie erschien ein solches bereits im Herbst 1888, das den modernen Verhältnissen Rechnung trug und im Jahre 1906 nach dem mandschurischen Kriege durch ein neues ersetzt wurde, das mit zahlreichen Abänderungen aus dem Jahre 1909 noch heute in Geltung ist. Auch die verschiedenen aufeinanderfolgenden Schießvorschriften aus den Jahren 1889, 1893, 1899 und 1905 suchten den veränderten Waffenverhältnissen, besonders nach Einführung des Gewehrs 1898 und der S-Munition, Rechnung zu tragen, und dem Gefechtsschießen die nötige Beachtung zu verschaffen, ohne die sorgfältige Ausbildung im Einzelschießen in Frage zu stellen.

Das Wesen der modernen Taktik geht dahin, den gesteigerten Leistungen der Feuerwaffen gegenüber die Verluste dadurch zu verringern, daß die Truppe sich innerhalb der Feuerzone nur in Schützenlinien oder in vielen kleinen Marschkolonnen, die leicht im Gelände Deckung finden, bewegt. Frühzeitig wird sie daher aus der Marschkolonne entfaltet und zum Gefecht entwickelt. Doch muß natürlich die Einheitlichkeit

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/392&oldid=- (Version vom 14.9.2022)