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Aber auch sie schon werden dartun, auf wie interessante Weise diese wichtige Frage gelöst worden ist. Von einem deutschen Erfinder Sievert aus Dresden, der eigentlich Kaufmann war und trotzdem auf dem Gebiete des Glashüttenwesens Hervorragendes geleistet hat, stammt die folgende Arbeitsweise zur Erzeugung von Fensterglas. Auf einer ebenen, kreisförmigen Platte wird flüssige Glasmasse tafelförmig ausgebreitet, dann von einem ringsumgelegten runden Rahmen festgehalten und dadurch etwas aufgeblasen, daß man durch eine oder mehrere Öffnungen in der Platte von unten Preßluft zuführt. Das Glas wölbt sich auf. Es wird, indem man gleich beim Beginn scharf anbläst, im Scheitel etwas dünner gehalten als unten. Nun dreht man Platte und Rahmen um 180 Grad nach unten, so daß der Glaskörper nach unten hängt und setzt das Blasen fort, wobei durch passende Anwärmvorrichtungen die Glasmasse weich gehalten wird. Dadurch verteilt sich die Glasmasse in den Wandungen gleichmäßig, und es entsteht ein langer Zylinder ganz wie bei der gewöhnlichen Fabrikation von Fensterglas, der später aufgesprengt, geebnet und gekühlt wird.

Es ist ganz klar, daß man nach demselben Verfahren auch anders geformte Glaskörper erhalten kann, z. B. Bechergläser und zwar in Massenfabrikation. Bläst man nämlich die Glasmasse in eine Form hinein, welche viele Formhöhlungen nach der Gestalt der Bechergläser enthält, dann bildet sich gleich eine große Anzahl von Bechergläsern, die vorläufig noch alle unten miteinander zusammenhängen. Setzt man die gekühlten Massenkörper auf eine Schleifmaschine, dann schleift diese gleichzeitig alle Verbindungsstellen fort, und man erhält zuletzt die gesamten Bechergläser voneinander getrennt und an ihrem oberen Rande abgeschliffen.

Andere Glasblasemaschinen beruhen auf dem Prinzip, die Glasmasse in eine Vorform zu bringen, sie in ihr durch Pressen oder Blasen oder durch Pressen und Blasen vorzuformen und dann in eine Fertigform überzuführen, in der der Glaskörper seine endgültige Gestalt erhält. Das flüssige Glas wird aus dem Ofen in die Form gesaugt. Die Maschinen arbeiten also völlig selbständig und geben den fertigen Gegenstand ab, der durch maschinelle Transportvorrichtungen in den Kühlofen befördert wird. Mit den Glasblasemaschinen lassen sich aber vorläufig nur die einfacheren Arten von Hohlkörpern darstellen. Denn das Glas ist eine subtile Masse, die sorgfältig behandelt sein will. Wer einmal einen Glasmacher beobachtet hat, wie er sorgsam das aufgeblasene Glaskölbchen (Külbel) überwacht, es dreht und wieder anwärmt, der wird ohne weiteres die Schwierigkeiten begreifen, die das maschinelle Glasblasen zu überwinden hat. Das zu verarbeitende Glas muß einen gewissen Grad von Flüssigkeit besitzen, keinen zu geringen, damit es noch bildsam ist, keinen zu hohen, damit es nach dem Verlassen der Maschine genügend abgekühlt und starr ist, um seine Form zu behalten. Da das maschinelle Glasblasen schneller beendet ist als das Blasen mit Handbetrieb, bedarf es ein weniger heißes Glas als letzteres. Die Abkühlung des Glases während der Arbeit ist wesentlich abhängig von der Temperatur der Formen. Letztere ist daher sorgsam zu beobachten. Man wird die Formen vor Beginn des Betriebes anwärmen und während des Betriebes kräftig kühlen. Denn das Anwärmen oder Kühlen der unfertigen Werkstücke, für welche der Handbetrieb so einfache Mittel

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/190&oldid=- (Version vom 1.10.2017)