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In dem Nahrungsmittelgesetz vom Jahre 1879 war vorgesehen, daß ein weiterer Ausbau der Nahrungsmittelgesetzgebung durch den Erlaß Kaiserlicher Verordnungen erfolgen solle. Von dem Erlaß solcher Verordnungen ist indessen nur in einigen wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden. Vielmehr erschien es bald zweckmäßiger, einzelne wirtschaftlich oder gesundheitlich besonders wichtige Teile des Nahrungsmittelverkehrs durch besondere Reichsgesetze zu regeln, und die Ausführung der Bestimmungen dieser Gesetze nach näherer Anweisung des Bundesrates vornehmen zu lassen. So brachte das Jahr 1887 3 neue Reichsgesetze, die auf die Überwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenstände, soweit diese letzteren dem Nahrungsmittelgesetz unterliegen, Bezug hatten, nämlich das im Jahre 1897 wieder aufgehobene Gesetz betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter vom 12. Juli 1887, das Gesetz betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887 und das Gesetz betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 5. Juli 1887.

Es folgte dann im Jahre 1892 das erste Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken, das bis zum Jahre 1901 in Geltung blieb und durch das unter dem 24. Mai 1901 erlassene Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken abgelöst wurde. Aber auch dieses Gesetz blieb nur einige Jahre in Kraft und wurde durch das heute noch geltende Weingesetz vom 7. April 1909 ersetzt.

Inzwischen war unter dem 15. Juni 1897 das Gesetz betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzstoffen ergangen, durch welches das bereits erwähnte Reichsgesetz vom 12. Juli 1887 aufgehoben wurde. Ferner erging unter dem 6. Juli 1898 das Gesetz betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen, das aber schon nach 3 Jahren durch das Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902 ersetzt wurde.

Von sehr weittragender Bedeutung war endlich das unter dem 3. Juni 1900 erlassene Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, das auch gegenwärtig noch in Geltung ist.

Die Nahrungsmittelgesetzgebung ist also seit dem Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in ständigem Fluß gewesen, und die wiederholt notwendig gewordene Änderung bereits früher erlassener Gesetze läßt deutlich erkennen, wie schwierig es war, die hier in Frage stehenden Verhältnisse in einheitlicher gesetzlicher Weise zu regeln.

Der Grundgedanke von dem aus seinerzeit das Nahrungsmittelgesetz erlassen wurde, war die Gesundheit der Bevölkerung vor den Schädigungen zu bewahren, die ihr durch das gewerbsmäßige Herstellen und Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Nahrungs- oder Genußmittel, sowie auch gewisser Gebrauchsgegenstände, drohen konnten. Dieser Gedanke kam ganz besonders auch zum Ausdruck beim Erlaß des Blei- und Zinkgesetzes vom Jahre 1887, des Farbengesetzes von demselben Jahre, sowie vor allem im Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz, nach dessen Bestimmungen die Überwachung schon vor dem Schlachten der Tiere einsetzen und auch bei dem Inverkehrbringen des geschlachteten Fleisches durchgeführt werden sollte.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/195&oldid=- (Version vom 20.8.2021)