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„Ich vertraue auf Ihre bereitwillige Mitwirkung, um über die Ihnen vorgeschlagene Reform eine Übereinstimmung der gesetzgebenden Körperschaften und damit einen bedeutsamen Fortschritt in der friedlichen Entwicklung unserer Arbeiterverhältnisse herbeizuführen. Je mehr die arbeitende Bevölkerung den gewissenhaften Ernst erkennt, mit welchem das Reich ihre Lage befriedigend zu gestalten bestrebt ist, desto mehr wird sie sich der Gefahren bewußt werden, die ihr aus der Geltendmachung maßloser und unerfüllbarer Anforderungen erwachsen müssen. In der gerechten Fürsorge für die Arbeiter liegt die wirksamste Stärkung der Kräfte, welche wie Ich und Meine hohen Verbündeten berufen und willens sind, jedem Versuche, an der Rechtsordnung gewaltsam zu rütteln, mit unbeugsamer Entschlossenheit entgegenzutreten.
„Immerhin kann es sich bei dieser Reform nur um solche Maßnahmen handeln, welche ohne Gefährdung der vaterländischen Gewerbtätigkeit und damit der wichtigsten Lebensinteressen der Arbeiter selbst ausführbar sind. Unsere Industrie bildet nur ein Glied in der wirtschaftlichen Arbeit derjenigen Völker, welche an dem Wettbewerb auf dem Weltmarkte teilnehmen. Mit Rücksicht hierauf habe Ich es Mir angelegen sein lassen, unter den in gleichartiger Wirtschaftslage befindlichen Staaten Europas einen Austausch der Meinungen darüber herbeizuführen, bis zu welchem Maße sich eine gemeinsame Anerkennung der gesetzgeberischen Aufgaben bezüglich des Arbeiterschutzes feststellen und durchführen läßt. Es verpflichtet Mich zu dankbarer Anerkennung, daß diese Anregung bei allen beteiligten Staaten und besonders auch dort eine gute Stätte gefunden hat, wo der gleiche Gedanke bereits angeregt und seiner Ausführung nahe gebracht war. Der Verlauf der hier versammelt gewesenen internationalen Konferenz erfüllt Mich mit besonderer Befriedigung. Ihre Beschlüsse bilden den Ausdruck gemeinsamer Anschauungen über das wichtigste Gebiet der Kulturarbeit unserer Zeit. Die darin niedergelegten Grundsätze werden, wie Ich nicht zweifle, fortwirken als eine Aussaat, die mit Gottes Hilfe zum Segen der Arbeiter aller Länder aufgehen und auch für die Beziehungen aller Völker untereinander nicht ohne einigende Frucht bleiben wird."

Der Reichstag.

Die vieljährige mühsame Vorarbeit des Reichstages, die immer wieder den lebhaften Unmut und Widerspruch des Fürsten Bismarck erregt hatte, fand hiermit die ausdrückliche Anerkennung der Krone. Bezüglich der wichtigsten Teile: Schutz der Sonntagsruhe, Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, deckten sich die Vorlagen wesentlich mit den Beschlüssen des Reichstages. Ebenso hatte ein Gesetzentwurf, betreffend die Gewerbegerichte, schon 1878 den Reichstag beschäftigt und war nur an der Frage der Bestätigung des Vorsitzenden gescheitert. Wiederholt aber hatte jener auf Wiedereinbringung der Vorlage gedrängt. Der diesbezügliche neue Gesetzentwurf wurde dann auch nach eingehender Kommissionsberatung (Vorsitzender: Oberbürgermeister Miquel, Berichterstatter: Rechtsanwalt Dr. Carl Bachem) bald – am 28. Juni – im Reichstag erledigt.

Der Arbeiterschutz-Gesetzentwurf erforderte naturgemäß ausgedehntere Beratungen im Plenum und in der Kommission. Die Kommissionsberatungen (Vorsitzender:

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/394&oldid=- (Version vom 20.8.2021)