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„Siemens-Schuckert“-Werke eine durch einen Elektromotor unmittelbar oder vermittels biegsamer Welle angetriebene zuverlässige und leichte Drehbohrmaschine gebaut haben, die bei einem Kraftverbrauche von 1,5–2 PS Durchschnittsleistungen von 30–50 cm in der Minute erzielt. Bei einer Versuchsbohrung im Minettebezirke hat man in der 12stündigen Schicht sogar 63 m gebohrt, also ein Meter Bohrloch in 11,5 Minuten hergestellt. Die in festerem Gesteine sehr mühsame Schrämarbeit mittels Keilhaue durch mechanische Mittel zu ersetzen, ist in Deutschland nur teilweise geglückt. Hierzu wendet man außer der bereits erwähnten Frankeschen Schrämmaschine vorwiegend Stoßbohrmaschinen an, indem man diese Maschinen während der Arbeit hin und her schwenkt, so daß kein rundes Loch sondern ein breiter Schram entsteht. Die erste deutsche Maschine dieser Art war die Eisenbeißsche Schrämmaschine mit Schrämstange und Schrämkrone.

Im Gegensatz zu diesen stoßend wirkenden Schrämmaschinen, die sich hauptsächlich für Streckenbetriebe und wenig breite Abbaustöße eignen, stehen die fräsend wirkenden Abbauschrämmaschinen, die vermittels Zahnketten, Zahnrädern oder Zahnstangen Schräme in den Kohlenstoß hineinfräsen. Trotzdem diese Maschinen im Auslande sehr verbreitet sind und dort gute Erfolge erzielt haben, sind sie in Deutschland nicht anwendbar, da die Voraussetzung für ein Arbeiten mit ihnen, regelmäßige Lagerung und flaches Einfallen, nur selten vorhanden sind, und da sie sich für den deutschen Bergbau wegen ihrer Größe und Schwere nicht eignen. Eine für den deutschen Bergbau geeignete, leichthandliche fräsende Schrämmaschine zu bauen, nach der ein großes Bedürfnis vorliegt, ist bis jetzt trotz zahlreicher Versuche noch nicht geglückt.

Wenn nun auch auf dem Gebiete der unterirdischen Gewinnungsarbeiten infolge der ungünstigen Lagerungsverhältnisse die Maschine in Deutschland noch nicht den Platz einnimmt, den sie in anderen Ländern behauptet, so hat sie auf dem Gebiete der oberirdischen Gewinnung, besonders beim Braunkohlenbergbau, außerordentliche Erfolge erzielt. Während man früher bei den nur wenig unterhalb der Tagesoberfläche liegenden Braunkohlenflözen die Wegfüllarbeit des Deckgebirges und die Gewinnung der Kohle durch Handarbeit vornehmen ließ, ist man in den beiden letzten Jahrzehnten dazu übergegangen, dieses Wegräumen und den Abbau der Braunkohle auf maschinellem Wege vorzunehmen. Hierzu bedient man sich der Einserketten-, Tief- oder Hochbagger, bei festeren Massen auch der Löffel- oder Schaufelbagger, die mit Dampf oder Elektrizität angetrieben werden und Leistungen von 1200 cbm und mehr täglich aufzuweisen vermögen. Die Anwendung dieser Gewinnungsmaschinen hat im Braunkohlenbergbau eine große Umwälzung hervorgerufen und eine Verschiebung zwischen Tagebau und unterirdischem Abbaubetriebe herbeigeführt. Der letztere, der sehr teuer und zudem häufig mit 50% und mehr Abbauverlust arbeiten muß, tritt immer mehr zugunsten des Tagebaues zurück. Während in den 80er Jahren ein Tagebau auf Braunkohlen nur dann rentabel war, wenn das Verhältnis der Deckgebirgsmächtigkeit zur Kohlenmächtigkeit 1:1 betrug, vermag man jetzt mit Hilfe der modernen Baggereinrichtungen Braunkohlenlager durch Tagebau mit Vorteil auszubeuten, wenn das Deckgebirge 2–4 mal mächtiger ist als die Kohle selbst.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)