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wichtigen Knotenpunkten. Bei der Unterteilung mittels Nebenstraßen sind rechtwinklige Ecken und geeignete Blocktiefen zu erstreben, in Wohnbezirken tunlichst so, daß Hintergebäude und lange Flügelbauten wegfallen. Um große Blöcke zu verwerten, werden eindringende Sackgassen, Wohnhöfe, gemeinschaftliche oder öffentliche Binnenräume angeordnet. Zu großer Annehmlichkeit können abkürzende Fußwege dienen, namentlich auf stark geneigtem Gelände, unter Umständen mit Treppenanlagen oder Aufzügen, sowie Wirtschaftswege an der Rückseite einer Reihe von Grundstücken.

Von sonstigen Punkten, welche der Städtebau während der letzten Jahrzehnte gereift hat, seien noch folgende angeführt, bei welchen gewisse Meinungsverschiedenheiten zu überwinden sind. Ob eine Straße gerade oder gekrümmt anzulegen sei, wird jetzt „nach Umständen“ beurteilt: gekrümmte Straßen gewähren Übersichtlichkeit ihrer konkaven Seite, das Anschmiegen an hügeliges Gelände, einen ländlichen Eindruck; gerade Straßen können sich auszeichnen durch Stattlichkeit, den Ausblick auf Bauten oder Berge, eine bequeme Einteilung der Grundstücke. An freien Plätzen sind nach Sitte die Wände tunlichst geschlossen zu halten, aber auch das Offenhalten bedeutsamer Seh- oder Verkehrslinien erscheint nicht unberechtigt. Oft wurde mit Recht die malerische Erscheinung mittelalterlicher Städte, der Reiz ihrer intimen Gassen und Winkel gepriesen, aber so gut auch viele Einzelheiten aus jenen Gebilden verwendbar bleiben, so fordern doch die Bedürfnisse raschen Verkehrs und kräftiger Luftbewegung stetige Straßenrichtungen und unsere ästhetischen Anschauungen überhaupt Klarheit des Plans statt gesuchter Unregelmäßigkeit. Die Rücksicht auf vorhandene Wege, Eigentumsgrenzen oder Uferlinien ist wünschenswert, aber nicht mehr so wichtig wie früher, well das Verfahren der Umlegung leicht eine andere und eventuell zweckmäßigere Aufteilung des Geländes ermöglicht. Gebührende Beachtung fordert ferner die Denkmalpflege bei der Führung von Straßenlinien, besonders bei Durchbrüchen und Umleitungen im Innern, ebenso der Heimatschutz bei landschaftlichen Anordnungen in der Umgebung einer Stadt. Indessen müssen doch auch anderweitige Interessen erwogen werden, und es darf füglich eine alte Baracke einer neuen zweckmäßigen Straße zum Opfer fallen.

Erfreulich zugenommen hat das Streben, in einem Bebauungsplan Grünflächen zu erhalten und zu schaffen. Öffentliche Grünflächen verschiedener Größe und Art nehmen von der Gemarkung deutscher Städte jetzt zwischen 10 und 33% ein. Bei neuen Entwürfen ist möglichst auf Dezentralisation zu sehen, deshalb längere durchziehende Promenadenstreifen, bezirksweise verteilte Spielplätze und Erholungsstätten, Wald- und Wiesengürtel um große Städte. Auch gehört hierher die Verwertung eingehender Friedhöfe, die landschaftliche Anlage neuer Friedhöfe, die Einbeziehung von Wasserläufen und Wasserflächen. Von alledem sind viele schöne Beispiele vorgekommen.

Verkehrsmittel.

Das städtische Straßenwesen ist zu einer technischen Wissenschaft geworden. Zuerst soll die Breite jeder Straße, sowie ihre Querteilung in ein- oder mehrteilige Fahrwege, Fußwege, Grünstreifen, entsprechend der Bedeutung des Verkehrs gewählt werden. Im allgemeinen gibt man Haupt- und Geschäftsstraßen, in welchen der Verkehr künftig noch zunehmen kann, eine ansehnliche

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/393&oldid=- (Version vom 20.11.2016)