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Da legten wir den Schwur ab, nie wieder mit der Außenwelt in Berührung zu kommen, und was menschlicher Fleiß und menschlicher Geist im Laufe von fünfzig Jahren schaffen konnten, das wirst Du ja selbst nach und nach kennen lernen. Mehr brauche ich Dir eigentlich nicht zu erzählen. Wir sind von der Erdoberfläche unabhängig, das Meer liefert uns alles, was wir bedürfen. Das Beefsteak, das Du vorhin aßest, war von einer Seekuh, Kartoffeln und Gemüse von einem Seegewächs, den Wein gewinnen wir aus Beeren, die an Felsenklippen unter Wasser wachsen; die Milch, die Du nicht von frischer Kuhmilch unterscheiden kannst, ist ein chemisches Fabrikat. Unsere Eisenbahn hast Du schon gesehen. Die Stadt ist eine maurische, die vor vielen hundert Jahren im Meere versank. Wir benutzen die Steine, um uns das Behauen zu sparen. Einen Zwang zur Arbeit giebt es hier nicht. Wer Lust zur Arbeit hat, meldet sich freiwillig und ist dann nur für diesen Tag dazu verpflichtet. Die übrige Zeit geht in Studien und sonstigen Beschäftigungen auf. Bücher liefern uns ja die Schiffsbibliotheken. Wir sind alle sehr, sehr glücklich. – Hast Du sonst noch eine Frage? Später erfährst Du allerdings alles ausführlich.“

Aufmerksam hatte Richard zugehört. Jetzt aber kam der Kernpunkt der Unterhaltung.

„Ja, soll ich denn nun für immer hier bleiben?“

„Gewiß. Wie ich hörte, stehst Du ja ganz allein in der Welt, und es wird Dir hier schon gefallen.“

„Wenn ich aber nun nicht mag?“

Zwischen den Augenbrauen des Meisters entstand ein Fältchen.

„Dann mußt Du einfach hier bleiben, mein Sohn,“ sagte er mit Betonung, „wer einmal in unsere Geheimnisse eingeweiht ist, darf uns nicht wieder verlassen.“

„Ich gebe mein Ehrenwort ab, nichts zu verraten.“

„Das genügt uns nicht. Du bist zu jung, und das Leben ist zu lang.“

Empfohlene Zitierweise:
Robert Kraft: Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Ansiedelung_auf_dem_Meeresgrunde.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)